Leadership

Das „New Leadership Cheatsheet“

21 einfache Formulierungen für große Wirkung im Alltag

Johannes Meyer
November 23, 2021
6min Lesezeit

Eines der einfachsten Mittel, das einen großen Impact auf uns, unser Auftreten und andere hat, ist Sprache. Unser Kollege Johannes Meyer hat sich intensiv mit der Wirkung von Sprache im Kontext von Leadership auseinandergesetzt und zeigt, wie man mit Sprache auch eine Haltungsänderung hervorrufen kann. In unserem „New Leadership Cheatsheet“ geben wir pragmatische Tipps, wie Führungskräfte durch einfache Veränderungen im Sprachgebrauch große Wirkung erzielen können. 

Ist Leadership Talent oder Training?

Woher haben beeindruckende Führungspersönlichkeiten ihre Fähigkeiten? Ist es Talent, Training oder beides? Es gibt hunderte Bücher und Artikel zum Thema – was dafür spricht, dass Leadership wenigstens zum Teil lernbar sein muss. Wer sollte schon ein Buch lesen zu Eigenschaften, die er oder sie am Ende doch nicht verändern kann? Aber kann man durch Lesen von Büchern zur beeindruckenden Führungsperson werden? Führung ist eine Haltung, die im Alltag jederzeit abrufbar ist und dann auf Situationen angewandt wird. So eine Haltung wird seit unserer Kindheit geprägt, von unseren gesammelten Erfahrungen und Erlebnissen. Wenn nun ein Buch sagt: „Du solltest agiler führen!“ Oder: „Du sollst Menschen befähigen, nicht befehlen!“ dann sind das Dinge, auf die wir uns schnell einigen können, die aber in der Praxis, auf die nächste Alltagssituation übertragen, sehr schwierig sein können. Wir kommen nicht aus unserer Haut raus, indem wir Dinge konzeptionell verstehen.

Wie Haltungsänderung gelingt

Wie aber ändert man eine Haltung? Diese Frage ist Gegenstand der Hirnforschung, deren Erklärung sich intuitiv richtig anfühlt: Einfach gesagt, benötigt eine Haltungsänderung positive Erfahrungen mit alternativen Verhaltensmustern, die imstande sind, unser Gehirn neu zu verknüpfen.

Stellen wir uns vor, wir sind im Schwimmbad und denken, wir können auf keinen Fall vom Sprungturm springen. Nun könnten wir Bücher lesen, uns mit Sicherheitsstatistiken die Unbedenklichkeit des Turmspringens vergegenwärtigen oder beobachten, dass fast alle, die nach dem Sprung aus dem Wasser kommen, ein Grinsen im Gesicht haben. Nichts davon wird eine eigene Erfahrung des ersten Sprungs ersetzen können, um die ängstliche Haltung zum Thema zu ändern. Was also tun? Wir zwingen uns zum ersten Sprung und machen einfach bestmöglich nach, was andere Turmspringer vor uns gemacht haben. Das kostet Überwindung und ein Buch über Turmsprünge wäre angenehmer gewesen. Aber nur so wird es (bei Gelingen) für das Gehirn eine positive Rückkopplung zu diesem Erlebnis geben. Die Haltung verändert sich. Wir kommen aus dem Wasser und der Sprung, den wir eben noch „imitiert“ haben, ist Teil unserer persönlichen Erfahrungswelt geworden. Warum sollte man beim Thema Führung nicht ähnlich vorgehen? Statt Führungsbücher zu wälzen und sich hinter theoretischen Modellen zu verstecken, einfach nachmachen was andere tun und gucken, ob es sich gut anfühlt. Die Art, wie wir auf andere Menschen wirken, ist fest in uns verankert, scheint geradezu unverrückbar. Und doch sind Führungsstile keine Charaktereigenschaften, sondern erlernbare Fähigkeiten.

Warum Führungsleitbilder oft wenig Wirkung zeigen

Organisationen, die ihre Führung wandeln wollen haben das erkannt – und entwickeln eifrig Führungsleitlinien, Werte, Purposes. Diese oft aufwändig konzipierten Formulierungen werden in Präsentationen, Vorträgen und Postern verbreitet – und doch scheint sich im Führungsalltag oft wenig zu tun. Das liegt daran, dass solche Leitbilder selten provozieren, sondern meist Dinge vorschlagen, hinter denen sich alle leicht versammeln können. „Wertschätzung und Respekt“, „Mitarbeiter fördern und fordern“ „Innovation leben“ – klingt gut, nicht wahr? Aber sind diese Leitsätze eine Überraschung? Vermitteln sie das Gefühl, etwas zu lernen oder sich entwickeln zu müssen, um diesen Prinzipien gerecht zu werden? Auch wenn diese großen Begriffe in der Regel noch erläutert und illustriert werden, ist eine verständliche Reaktion von Führungskräften: „Eigentlich mache ich das ja schon so.“ Darüber hinaus ist die Grundlagenarbeit mit Prinzipien und Werten oft sehr abstrakt und schafft es nicht, am gewachsenen Führungsverständnis vorbei in den Alltag einzuziehen. Dann heißt es regelmäßig „die Werte müssen auch gelebt werden“ – und auch darauf können sich alle schnell einigen. Aber wie kommt man von einer perfekt laminierten Leitlinie zu einem Alltagserlebnis, das, ähnlich wie im Turmspring-Beispiel, eine positive Rückkopplung mit einem neuen Verhalten ermöglicht?

Sprache als pragmatischer Weg zur Haltungsänderung

Wenn wir unser Verhalten ändern wollen, müssen wir unsere Sprache ändern. Sprache ist Ausdruck unserer Haltung und der wahrnehmbare Teil unserer Führungspersönlichkeit. Aber ebenso wie allem Gesagten ein aus unserer Haltung geborener Gedanke vorausgeht, prägt das, was wir sagen, auch unsere Art zu denken: Werte werden Worte werden Werte. So hat ein bewusst genutzter Satz tatsächlich die Kraft, langfristig unsere Haltung zu beeinflussen. Das Gute daran: Während unsere Gedanken schwer kontrollierbar sind, ist Sprache kein Reflex, dem wir unterworfen sind. Wir können uns bewusst dafür entscheiden. Und so können wir uns auch für die Prägung einer Haltung mit bestimmten Werten entscheiden. Die Gestaltung der Sprache ist der pragmatischste und konkreteste Weg, Führung neu zu programmieren. Hierzu ein Beispiel. Vor ein paar Jahren hatte ich die Chance, mit einem jungen Google-Team zu arbeiten. Ob beim Ideenaustausch, in Besprechungen oder beim zwanglosen Bier am Abend – schon nach ein paar Sätzen fiel auf, wie oft alle die Formulierung „Ja, und…“ (bzw. „Yes, and…“) verwendeten. Manchmal im Spaß als Antwort auf absurde Vorschläge, aber auch als weiterführende Formulierung in der Ideengenerierung im Projekt. „Ja, und…“ ist offizielles kreatives Mantra bei Google. Es ist der konkrete Ausdruck der Werte Offenheit für Neues, Aufbauen auf Ideen anderer und weiter- und größer zu denken. Außerdem ist die Formulierung natürlich ein Gegenmodell zum „Ja, aber…“, das sonst in vielen Organisationen für Frustration sorgt.

Auf einen neuen Gedanken oder eine Idee soll man seine Antwort demnach mit „Yes, and..“ beginnen – nicht, weil Kritik generell schlecht ist, sondern weil man damit seinen eigenen Kopf (und den anderer) zum konstruktiven Weiterdenken motiviert, statt zur meist einfachen Suche nach Hürden. Klingt banal?

Klar, ist es auch. Aber versuchen wir mal, die Werte „Offenheit“ und „Kreativität“ in einer Organisation zu verankern. Solche kleinen (und banalen) Beispiele helfen wirklich weiter.

New Leadership Cheat Sheet

Führung ist organisationsabhängig und nicht generell normierbar. Das bedeutet, Sprache muss unter Berücksichtigung der Historie und der Ziele, der aktuell bestehenden Kultur und der Rollenmodelle einer Organisation zusammengestellt werden.

Nicht jede Organisation braucht die Führungskultur eines Startups. Eine Kultur der Motivation in einer Vertriebsorganisation wird andere Wertebausteine brauchen als eine Kultur der technischen Exzellenz und Genauigkeit in einer sicherheitsrelevanten Produktion. Und die eines Softwareentwicklungsteams wird anders sein als die einer Kreativagentur. 

Dieses Cheatsheet soll Inspiration und einen Rahmen für Sprache in Führungssituationen geben. „Neues Leadership“ hat dabei nicht den Anspruch als Gegenmodell zu „altem Leadership“ zu stehen, sondern bezieht sich auf eine Führungskultur, die Antwort auf Herausforderungen der zügigen Veränderung und Digitalisierung ist. Neues Leadership ist die Haltung zum Thema Führung, die viele Organisationen wenigstens in Teilen anstreben, um Mitarbeitende auf ein Umfeld der Innovation, der Experimente und des neu zu Lernenden einzustellen. Es ist ein Vorschlag einer passenden Führungskultur zu Methoden wie Agilität, nutzerzentriertem Gestalten, Geschäftsmodellentwicklung usw. Diese Führungskultur beruht auf folgenden Themengebieten, die im New Leadership Cheatsheet mit passenden Formulierungen ausgestaltet werden:

  • Risiko, Mut & Entrepreneurship 
  • Agilität & Anpassungsfähigkeit
  • Entscheidungsfindung und Nutzerzentrierung
  • Prototyping und Pragmatismus
  • Kreativität & Optimismus
  • Empowerment & Förderung
  • Neugier & Denken in Möglichkeiten

Verfasst von:

Johannes Meyer

Johannes ist in seinem Element, wenn Entscheidungen in Gruppen komplex, vielschichtig und ungewiss sind. Er moderiert deshalb für viele Organisationen Strategie- & Transformationsprozesse. Darüber hinaus gestaltet er gerne Lernerlebnisse und lustige Übungen zu Innovationsmethoden.

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