Innovation

Nachhaltigkeit in Familienhand: Wie ein Ökosystem Familienunternehmen hilft, sich für die Zukunft aufzustellen 

Im Gespräch mit Eva Mettenmeier über den Maschinenraum als Begleiterin für die Nachhaltigkeitstransformation von Familienunternehmen

Dr. Nadja Berseck
November 30, 2023
6 min Lesezeit

Familienunternehmen sind Evas Leidenschaft. Eva Mettenmeier wurde in das Familienunternehmen ihres Vaters hineingeboren. Nach einem Abstecher in eine große Unternehmensberatung, wo sie Unternehmen aus der Energie- und Chemiebranche unter anderem zu Nachhaltigkeitsthemen beriet, hat sie selbst gegründet und einen Start-Up Accelerator aufgebaut. Doch die Familienunternehmen haben Eva nicht losgelassen und so wechselte sie in die Geschäftsführung von Maschinenraum. Maschinenraum ist ein Innovationsökosystem, das deutsche Familienunternehmen in einem Netzwerk zusammenbringt, um gemeinsam Zukunftsthemen voranzutreiben.  

2020 gegründet, ist der Maschinenraum heute schon eine feste Größe unter den Familienunternehmen. Was macht euch so erfolgreich? 

Ich erlebe oft, dass, wenn ein Unternehmen sich mit einem anderen austauschen möchte, erst einmal beide begeistert sind. Man kommt ins Gespräch, aber die Initiative versandet sehr schnell. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass eine solche Zusammenarbeit von einer neutralen Instanz unterstützt werden muss. Eine Instanz, die begleitet, steuert, kommunikativ unterstützt, vorantreibt und auch und immer wieder zum Erfolg motiviert. Und so haben wir uns entschlossen mit dem Maschinenraum einen solchen Begleiter zu schaffen.  

Pünktlich zu Corona im April 2020 sind wir gestartet. Doch anstatt uns zu bremsen, hat uns die Pandemie glücklicherweise eher einen Schub gegeben. Die Unternehmen haben erkannt, dass sie sich wappnen müssen und dafür den Austausch brauchen. Gerade wenn wir vor Herausforderungen stehen, die wir so noch nie erlebt haben, und wenn wir uns in einem Umfeld bewegen, das sich ständig und immer schneller verändert, müssen wir uns vernetzen. 

Unternehmen kommen zum Maschinenraum, weil sie Probleme vor der Brust haben und denken, dass sie damit allein sind. Bei uns stellen sie schon in den Vorgesprächen fest, dass andere Unternehmen genau die gleichen Fragen und Herausforderungen haben. Allein diese Erkenntnis ist schon eine Erleichterung. Es gibt immer Unternehmen, die natürlich weiter sind als andere, gerade auch beim Thema Nachhaltigkeit. Da sind die Lernerfahrungen von Expert:innen im Netzwerk, also Unternehmen, die sich schon tief mit der Materie beschäftigt haben, natürlich extrem wertvoll.

Es ist eine große Motivation, sich einem Netzwerk anzuschließen, um von Gleichgesinnten lernen zu können. 

Das Gefühl der Gleichgesinntheit entsteht eher durch die Komponente des Familienunternehmens und nicht etwa dadurch, dass man aus der gleichen Branche kommt?  

Ein Familienunternehmen zu sein, verbindet. Das hat mit der Kultur dieser Unternehmen zu tun. Es ist keine Kennzahl und man kann sie nicht messen. Es ist vielmehr ein Wertesystem und die Identifikation mit einer Langfristigkeit, die einen sehr starken Einfluss auf die Unternehmensstruktur und -kultur hat. Gerade Werte wie Vertrautheit, authentisch sein, sich öffnen dürfen, das ist der Kern von Familie, und das leben wir hier. 

Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für die Unternehmen in eurem Netzwerk? 

Der Maschinenraum ist in 20 Fachbereiche aufgeteilt. Dazu gehört HR-Strategie, Innovationsmanagement, aber auch das Thema Nachhaltigkeit. In unseren Gruppen für Nachhaltigkeitstransformation in Familienunternehmen haben wir die meisten Mitglieder und die größten Veranstaltungen. 

Das Besondere am Bereich Nachhaltigkeit ist, dass sich viele Unternehmen zum ersten Mal in ihrer Unternehmensgeschichte so intensiv mit dem Thema beschäftigen. Sie können nicht sagen, dass sie so etwas ähnliches vor fünf, zehn,15 oder 20 Jahren schon einmal gemacht haben.

Sei es die IT-Lösung, das Reporting, die Nachhaltigkeitsstrategie oder das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz. Hier brauchen diese Unternehmen dringend Peers, die ihre Ideen für die Nachhaltigkeitstransformation in Familienunternehmen challengen oder einfach mal fragen: Wie macht ihr das eigentlich? 

Spannend, dass sich so viele Unternehmen jetzt auf den Weg machen. Woran liegt das deiner Meinung nach? 

Eines ist klar, wenn Druck von außen kommt, dann reagiere ich. Und wahrscheinlich war der Druck in den letzten Jahren nicht so spürbar. Ein anderer Grund ist aber auch der Generationswechsel. Die Generation, die jetzt an die Reihe kommt, hat tendenziell ein ganz anderes Bewusstsein für Nachhaltigkeitstransformation in Familienunternehmen und das Thema ist für sie in der Regel gesetzt. Es ist in ihrem eigenen Wertesystem verankert. Auf der anderen Seite merken sie natürlich auch, dass sie nur so den Anforderungen der Kunden und des Marktes gerecht werden können. 

Die Frage ist eben, mache ich nur das, was von mir verlangt wird, oder gehe ich sogar darüber hinaus?

Wir haben auch Unternehmen, die ihrer Zeit zehn Jahre voraus sind. Die stellen jetzt schon ihre Produktion um oder investieren jetzt schon massiv, um Produkte herzustellen, die nicht nur zu 50 Prozent, sondern zu 90 Prozent aus Recyclingmaterial bestehen, weil sie glauben, dass sich das langfristig für das Unternehmen auszahlt. Und das, obwohl sie wissen, dass diese hohen Investitionen kurzfristig den Gewinn schmälern.  

Hier spielt wieder die Langfristigkeit der Familienunternehmen eine große Rolle. Sie wollen „enkel:innenfähig“ sein und natürlich ihr Unternehmen auch in die nächste Generation übergeben können. 

In unserem Whitepaper sprechen wir unter anderem über den Gestaltungsraum zwischen Kollaboration und Wettbewerb. Es ist immer ein Spannungsfeld, in einem Ökosystem unterwegs zu sein, sich auszutauschen und trotzdem keine Wettbewerbsgeheimnisse zu lüften. Wie erlebst du das bei euch? 

Bisher erleben wir das erstaunlicherweise nicht. In unserem Austausch geht es nie um wirkliche Geheimnisse oder tiefe Strategien, sondern eher um die prozessuale Sicht. Also: Wie mache ich etwas? Wie bin ich damit umgegangen? Welche Fehler habe ich gemacht? Was würde ich das nächste Mal anders machen? Wenn man dann tiefer in die Zusammenarbeit geht, kommt natürlich auch das Thema Wettbewerb auf. Wir haben gerade ein Ko-Kreationsprojekt zum Thema Kreislaufwirtschaft gestartet.

Kreisläufe kann man nicht alleine schließen, da müssen ganz unterschiedliche Akteur:innen mit ihren Kompetenzen eingebunden werden. Da müssen wir viel sensibler damit umgehen, was die Unternehmen einbringen. Aber wir sagen von vornherein: Alles, was entsteht, kann jeder nutzen. Die Unternehmen müssen offen und mutig sein. Unser Ziel ist nicht unbedingt, dass am Ende ein gemeinsames Geschäftsmodell oder ein Spin-off entsteht, sondern jeder Schritt in diesem Prozess ist ein Erfolg für sich, weil es immer darum geht, dass die Unternehmen zusammenarbeiten. 

Familienunternehmen sind aufgrund ihrer Werte, wie Wertschätzung und Loyalität, ideale Kollaborationspartner:innen, aber in unserem Whitepaper zeigen wir auch, dass diese Unternehmen lieber unabhängig bleiben wollen. Wie offen sind Familienunternehmen für Netzwerke? 

Familienunternehmer:innen sind für mich ganz erfahrene und erfolgreiche Netzwerker:innen. In der Vergangenheit war es allerdings so, dass die Vernetzung eher auf der Ebene der Unternehmensführung stattgefunden hat. Jetzt ist der neue Trend, den wir natürlich auch bewusst vorantreiben, die Vernetzung auch auf die Mitarbeiter:innen auszuweiten.  

Früher haben sich Familienunternehmen oft um sich selbst gedreht und wollten ihre Geheimnisse oder das, was sie über Generationen an Werten geschaffen haben, nicht aus der Hand geben. Aber wir sehen Unternehmen, die mutig vorangehen und zu „Open Champions“ werden, weil sie in der Zusammenarbeit ein großes Potenzial sehen. Für sie ist klar, dass es in Zukunft keiner mehr alleine schaffen wird. Die Unternehmen öffnen sich nicht nur innerhalb der Branche, sondern strecken ihre Fühler auch in die Start-up-Welt aus, um von disruptiven Ideen zu lernen und dieses Wissen und diese Inspiration auch in das eigene Unternehmen einfließen zu lassen. 

Aber wir sehen Unternehmen, die mutig vorangehen und zu „Open Champions“ werden, weil sie in der Zusammenarbeit ein großes Potenzial sehen. Für sie ist klar, dass es in Zukunft keiner mehr alleine schaffen wird.

Damit spielt ihr wirklich eine wichtige Rolle in der Nachhaltigkeitstransformation in Familienunternehmen. Wenn wir noch mal so zehn Jahre in die Zukunft gucken, wie ist der Maschinenraum dann aufgestellt?  

Ich glaube fest daran, dass wir den Weg der Öffnung und Überwindung der Unternehmensgrenzen weiter gehen werden. Vielleicht werden wir in Zukunft die Menschen nicht mehr innerhalb der Unternehmensgrenzen sehen, sondern darüber hinausdenken. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in andere Unternehmen gehen und wieder zurückkommen, um Wissen besser austauschen zu können. Ideen werden viel stärker gemeinsam entwickelt. Das bedeutet einen elementaren Kulturwandel, auch innerhalb der geschützten Netzwerke, und ich glaube, dass daraus viel Energie und Innovation entstehen kann. 

Verfasst von:

Dr. Nadja Berseck

Nadja ist Business Innovatorin, Stadtforscherin und Floßkapitänin in einem. Sie begeistern kreative Interventionen im Stadtraum. Während sie bei zero360 ihre unternehmerischen und gestalterischen Fähigkeiten kombiniert, um mit Elan neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, schippert Nadja am Wochenende mit dem selbstgebauten Recycling-Floß die Spree entlang.

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