Innovation

Eine Product Roadmap zur Beschleunigung von Innovationen

Wie Produktvisionen und Werteversprechen wieder in den Fokus rücken

Diverse Autor*innen
September 1, 2020
6min Lesezeit

Oft scheitern Innovationen nicht, weil die Idee die Falsche war. Oft scheitern Innovationen auch nicht, weil sie zu früh oder spät auf dem Markt waren oder die Konkurrenz zu stark war.

Oft scheitern Innovationen intern — schon vor dem Release

Fragt man Entwicklungsteams, egal ob Start-up oder Corporate, was für den Erfolg neuer Produkte und Services ausschlaggebend ist, kommt sowas wie:

„Wir entwickeln nutzerzentrierte Produkte und Services, die Bedürfnisse unserer Nutzer*innen stehen hierbei an erster Stelle“.

Bohrt man ein wenig tiefer, stellt sich im weiteren Gespräch heraus, dass ein entscheidender Zusatz nicht erwähnt wird — das „Aber“. Genau genommen müsste es heißen:

„Wir entwickeln nutzerzentrierte Produkte und Services, die Bedürfnisse unserer Nutzer*innen stehen an erster Stelle, aber der enge Zeitplan und knappen Ressourcen legen uns Steine in den Weg“.

Vielen Produkt-Menschen (an der Entwicklung von Produkten beteiligten Mitarbeiter*innen) wurde in den letzten Jahren durch unterschiedlichste Buzzwords wie Lean Startup, Design Thinking und Human-Centered Design eingetrichtert wie einfach und effizient innovative Produkt- und Serviceideen generiert und in Form von rudimentären Prototypen umgesetzt werden können. Worüber jedoch in der Innovationsblase selten gesprochen wird, ist, wie es nach einem Innovationssprint weitergeht:

Produkt-Menschen verbringen den Großteil ihrer Arbeitszeit mit der Beantragung von Ressourcen und Budgets, Freigabe von Projekten, Aufstellung von Projektplänen, Analyse von Konkurrenzprodukten, Durchführung von Marktstudien sowie der Definition von Produktanforderungen mit dem Ziel, die wichtigsten Stakeholder mit fehlerfreien Präsentationen für sich zu gewinnen und den Projektstatus von gelb auf grün zu setzen. Die Umsetzung der Produktvision und das damit verbundene Werteversprechen für Kunden und das eigene Unternehmen steht nicht mehr im Vordergrund.

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Ideale Welt vs. Reale Welt

Jason Scherschligt fasst es meiner Meinung nach in einem seiner Artikel gut zusammen:

Der Mechanismus des Projekts verschleiert den Grund für das Projekt.

Wie also, schaffen es Produkt- und Entwicklungsteams, das mit dem Produkt verbundene Werteversprechen wirkungsvoller zu kommunizieren und das Buy-in relevanter Stakeholder zu beschleunigen, um fokussierter an der Umsetzung der Produktvision zu arbeiten?

Sehr wahrscheinlich müssen diese Teams ihre Product Roadmap überdenken. Richtig umgesetzt ist sie effektiv, kommunikationsstark und strategisch wertvoll für jedes Unternehmen, wenn es um die Umsetzung nutzerzentrierter Produkte und Services geht.

Was ist eine Product Roadmap?

Eine Product Roadmap ist ein strategisches Dokument, das die übergeordnete Produktvision kommuniziert und das Werteversprechen für Nutzer*innen und das Unternehmen fokussiert, um Unterstützung seitens relevanter Stakeholder herbeizuführen und Entscheidungen konstruktiver zu gestalten.

Sie ist nicht zu verwechseln mit einem Projektplan, der feste Meilensteine und Auslieferungen vorgibt. In Zeiten von Agile und Lean haben steife Projektpläne bei den Produkt- und Entwicklungsteam zu Frustration geführt. Eine Product Rodmap gibt viel mehr das Warum und Wie zur Erreichung der Produktvision vor, nicht das Was.

Die Vorteile einer Product Roadmap

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Drei Vorteile einer Product Roadmap als strategisches Kommunikationsdokument

#1 Kommuniziert das strategische Vorgehen zur Erreichung der Produktvision und inspiriert Stakeholder

Traditionelle Roadmaps zielen auf die Entwicklung und Auslieferung von Neuprodukten und Produkt-Features. Die steifen Meilensteine und festen Produktanforderungen haben in der Vergangenheit oft zu Frustration und Fragen bei den Teams geführt, weil der Grund für ihre Existenz für viele Beteiligte nicht klar war. Stattdessen sollte der übergeordnete Kontext — the bigger picture — im Fokus liegen. Interne Stakeholder sind daran interessiert, warum das neue Feature als erstes veröffentlicht wird und wie der Erfolg in die Unternehmensziele einzahlt. Die Nutzer*innen wiederrum interessiert die Bedienbarkeit sowie der Vorteil, den sie durch das neue Feature oder Produkt erlangen. Es ist sinnvoll eine transparente Verbindung zwischen der Unternehmensvision, der strategischen Ausrichtung des neuen Produkts sowie der Nutzergruppe aufzubauen.

Interne Diskussionen werden von „Warum machen wir das?“ zu „Hilft uns Version A oder B die Ziele schneller zu erreichen?“ gelenkt.

#2 Fokussiert die Probleme und Herausforderungen der Nutzer*innen zur Entwicklung bedürfniserfüllender Produkte

In der Vergangenheit waren für den Erfolg eines Projekts die Anzahl der Auslieferungen (Produkte oder Features) sowie die Einsparung von Ressourcen im Produktentstehungsprozess ausschlaggebend. Ressourcen für User Research und qualitatives Testen waren quasi nicht vorhanden und somit nicht im Backlog der Entwicklungsteams gelistet, weil diese zu zeitintensiv und nicht wertstiftend waren. Unternehmen haben erkannt, dass ein solches Vorgehen im Zeitalter verkürzter Produktlebenszyklen nicht ausreicht, weil die ausgelieferten Produkte und Features nicht immer auf die Unternehmensziele, und somit auch in den Erfolg der Auslieferungen eingezahlt haben. Die Produktlösungen wurden an den Kundenanforderungen vorbei entwickelt, was dazu führte, dass die Anzahl neu veröffentlichter Produktfeatures nicht automatisch zur Steigerung der Nutzerzufriedenheit geführt hat. In den letzten Jahren steht User Research und Nutzerzentrierung auf der Agenda nahezu jedes Unternehmens, wird jedoch selten transparent kommuniziert. Die Product Roadmap eignet sich hervorragend für die Kommunikation dieses Wissens, sodass Produkt- und Entwicklungsteams gezielter an möglichen Features und Lösungen arbeiten können.

Konkrete Probleme und Herausforderungen der Zielgruppe sollten in der Roadmap sichtbar sein.

Weiterhin können Methoden und Canvases aus Human-Centered Design und Lean Startup eine hervorragende Möglichkeit für die Entwicklungsteams sein, ein erstes Verständnis für die Zielgruppe zu erarbeiten und rudimentäre Lösungsideen zu validieren.

#3 Beschleunigt Diskussionen und Entscheidungen zwischen Stakeholdern

Losgelöst von der strategischen Ausrichtung des Produkts arbeiten viele Entwicklungsteam in der Praxis auf vordefinierte Anforderungen und Produktfeatures hin. Diese Lösungen werden häufig vom Management definiert und zur Umsetzung vorgegeben. Ein solcher Ansatz ist kritisch zu betrachten, weil der Problemraum, also die Herausforderungen und Probleme der Zielgruppe, für die Produkt- und Entwicklungsteams unsichtbar bleiben. Weiterhin besteht kaum ein Feedback-Kanal, um die strategische Produktausrichtung durch die Erkenntnisse aus der Entwicklung zu beeinflussen. Die Konsequenz sind Meetings und Diskussionen darüber, ob der Soll-Zustand erreicht werden kann oder nicht. Die Argumentationen drehen sich um technische Machbarkeiten und wirtschaftliche Rentabilität, nicht jedoch ob Version A oder B das Problem der Nutzer*in löst und in die Produktvision einzahlt. Die Inhalte einer Product Roadmap sind nicht in Stein gemeißelt, sondern dienen als Kommunikationsgrundlage für strategische Entscheidungen.

Die Roadmap hat den Zweck, Diskussionen und Entscheidungen zu beschleunigen, indem der Fokus auf das Produkt und nicht das Projekt gelenkt wird.

Eine nachhaltig aufgesetzte Product Roadmap gibt ein explizites Problem der Nutzergruppe (z.B. in Form von Jobs to be done oder User Stories) vor und gewährleistet den Entwicklungsteams die notwendigen Freiräume zur Entwicklung bedürfniserfüllender Lösungen.

Durch das Setzen von wirtschaftlichen und gestalterischen Leitplanken kann gewährleistet werden, dass die Produkt- und Entwicklungsteams trotz Autorität und Lösungsfreiräume in die Produktvision und wirtschaftliche Rentabilität einzahlen.

Die Bausteine einer Product Roadmap

Es muss klargestellt werden, dass jede Product Roadmap anders aussieht. Je nach Produkt und Organisation sind die Anforderungen an eine Roadmap unterschiedlich. Die dargestellten Bausteine einer Roadmap sollen Orientierung geben, müssen jedoch nicht fester Bestandteil jeder Product Roadmap sein. Zur weiteren Beschreibung werden die Bauteile aufgeteilt in:

Übergeordnete Bausteine: Beschreiben das übergeordnete Ziel oder die Mission des Unternehmens und sind für das Aufsetzen der Product Roadmap notwendig, nicht jedoch fester Bestandteil.

Primäre Bausteine: Kommunizieren das strategische Vorgehen zur Erreichung der übergeordneten Ziele und sind fester Bestandteil der Roadmap.

Sekundäre Bausteine: Beinhalten notwendige Informationen und sind Grundlage für das strategische Vorgehen.

Weiterhin kann die Abbildung über verschiedene digitale Produktmanagement Tools, Excel Tabellen oder auch physische Post-its erfolgen.

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Product Roadmap — ein Beispiel

Übergeordnete Bausteine

Die Produktvision, kann auch die Mission oder das vorgenommene Werteversprechen sein, dient als Leitplanke und Richtungsweiser. Sie sollte jeder Product Roadmap übergeordnet und für die Nutzer*innen der Roadmap jederzeit sichtbar sein.

Business Indikatoren machen das geplante Ergebnis messbar und greifbar. Hierfür werden in der Praxis verschiedenste Methoden zur Aufstellung und Messung angewendet. Die OKR Methode ist eine der gängigsten Methoden. In diesem Fall können ein oder mehrere Themen aus der Product Roadmap in ein Key Result einzahlen.

Primäre Bausteine

Feste Meilensteine in einer Zeitleiste sind gerade bei Innovationen und Produktneuentwicklungen schwer einzuhalten, weil iterative Entwicklungsprozesse oft mit Unsicherheiten verbunden sind. Eine grobe Einteilung in Quartale sowie das Aufzeigen der wichtigsten nächsten Schritte kann zielführend sein.

Die Ergebnisse werden als Themen definiert. Diese sollten von Nutzerbedürfnissen oder Jobs to be done abgeleitet werden und idealerweise die Frage beantworten „Welche Lösung hilft uns dabei das bestmögliche Ergebnis für unsere Zielgruppe zu erreichen und dabei in die Business Indikatoren sowie Produktvision einzahlt?“. Es können mehrere Produktfeatures oder Lösungsideen in ein Thema einzahlen.

Sekundäre Bausteine

Jedem Thema ist ein konkretes Problem hinterlegt. Dieses sollte nutzerzentriert ermittelt und validiert sein. Je konkreter die Beschreibung, desto besser verständlich ist es für die umsetzenden Teams und Personen.

Das Ergebnis beschreibt den Mehrwert durch das Erreichen des Zielzustands, welchen die Zielgruppe durch eine geeignete Lösung erleben/erfahren wird.

Das zu erreichende Ziel beschreibt einen messbaren Indikator. Dieses Ziel ist idealerweise ein Key Result aus den übergeordneten OKR’s oder beschreibt einen greifbaren Zielzustand.

Die Lösungsideen sind mögliche Artefakte oder Produkt-Features, die das Problem der Zielgruppe lösen und dabei in die Produktvision sowie Business Indikatoren einzahlen. Diese sollten in einer Release Roadmap gelistet und priorisiert werden.

Wie bereits zu Beginn beschrieben ist die Product Roadmap ein strategisches Kommunikationsdokument. Sie gibt Auskunft über den aktuellen Stand der Entwicklung sowie zeigt das weitere strategische Vorgehen zur Erreichung der Produktvision auf. Im Falle des vorliegenden Beispiels werden zwei Farbkodierungen für Stakeholder und Phase ausgewählt. Die Farbkodierung Phase gibt Auskunft über den aktuellen Entwicklungsstand. In einer frühen Phase kann der Entwicklungsstand auf „Design“ oder „Konzept“ sein, im weiteren Verlauf auf „Testing“ oder „Beta“. Weiterhin werden Produkte für diverse Persona entwickelt. Die Anforderungen der Kund*innen, Nutzer*innen und Partner*innen sind sehr unterschiedlich, wenn es um die Nutzung des Produktes geht. Daher kann eine zielgruppenspezifische Farbkodierung hilfreich sein. In diesem Fall ist die Unterscheidung zwischen „Persona A“ und „Persona B“

Wir bei zero360 sind davon überzeugt stärker in Produkten, statt in Projekten zu denken und die Wertstiftung beim Kunden vor die Projektziele zu setzen, denn nur so können wir kollaborativ auf erfolgreiche Innovationen hinarbeiten.

Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir in Workshops Product Roadmaps und begleiten die agilen Produkt-Teams entlang ihrer Journey. Dazu nutzen wir diverse Methoden aus Human-Centred Design und Business Modelling.

Falls du Fragen zur Umsetzung einer Product Roadmap hast oder unsere Arbeit dich interessiert und du mehr über unseren Ansatz der strategischen Produktentwicklung wissen möchtet, kannst du uns gerne kontaktieren. Schreib mir gerne eine E-Mail an: hello@zero360.de.

Ich freue mich auf dein Feedback!

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