
Millionen von Geschäftsvorfällen jährlich – das ist die Realität von Klemens Steiner und seinem 300-köpfigen Team bei ERGO. Als Leiter des Bereichs HR Sales Deutschland steht er vor der Herausforderung, diese Prozesse nicht nur zu bewältigen, sondern kontinuierlich zu digitalisieren und zu automatisieren. In einem traditionellen Versicherungsunternehmen wie ERGO bedeutet das: bestehende Strukturen aufbrechen, neue Technologien integrieren und Menschen für den Wandel begeistern. Wie gelingt digitale Transformation, wenn das operative Geschäft niemals stillsteht? Darüber sprechen wir mit Klemens Steiner.
Klemens, stell uns ERGO kurz vor und beschreibe deine Rolle im Unternehmen.
ERGO ist ein Multiliner – das bedeutet, wir bieten das komplette Versicherungsportfolio an: von Lebens- und Krankenversicherungen bis hin zu Sachversicherungen. Wir sind in Deutschland und in über 20 Ländern in Europa, Asien und Amerika aktiv. Unser Versicherungsumsatz liegt bei 20,8 Milliarden Euro – erwirtschaftet von über 36.000 Mitarbeiter:innen weltweit. Ein wesentliches strategisches Ziel ist die digitale Transformation unseres Unternehmens für unsere Kund:innen, für unsere Mitarbeiter:innen, unsere Vertriebspartner:innen und für unsere Aktionär:innen.
Mein Team und ich sind bei ERGO für den Bereich HR Sales Deutschland zuständig. In HR Sales stellen knapp 300 Mitarbeiter:innen die Services für alle Vertriebswege der ERGO in Deutschland bereit. Unser Vertriebsnetzwerk ist vielfältig und umfasst rund 5.000 selbstständige Vertriebspartner:innen der ERGO Ausschließlichkeitsorganisation, über 1.500 selbstständige Vertriebspartner:innen der ERGO Pro sowie mehr als 11.000 Makler:innen und Kooperationspartner:innen. Außerdem kümmern wir uns um knapp 1.000 angestellte Mitarbeiter:innen im Außendienst.
Unsere Services in HR Sales umfassen im Wesentlichen das On- und Offboarding von Vertriebspartner:innen und den Mitarbeiter:innen im angestellten Außendienst, die komplette Abrechnung und das Vertragsmanagement für alle Vertriebswege, das Reporting und Bestandsmanagement. In Summe sind das Millionen von Geschäftsvorfällen pro Jahr. Und da liegt es nahe, dass wir uns intensiv mit der Digitalisierung unserer Geschäftsprozesse beschäftigen.
Welches Verhältnis hast du persönlich zu Technologie?
Technologie begeistert mich seit jeher – und das nicht nur, weil sie unser Leben verbessert und verändert, sondern auch, weil sie uns immer wieder überrascht. Wir leben in einer Zeit, in der sich manchmal die Realität wie Science-Fiction anfühlt und wir uns kneifen müssen, um zu verstehen, was vor unseren Augen passiert: Hologramme lassen Menschen täuschend echt erscheinen, humanoide Roboter unterhalten sich mit uns oder können Dinge, die noch vor 2-3 Jahren unmöglich gewesen wären. Autonome Taxis bringen uns von A nach B und Avatare übernehmen Bürojobs.
Neben dieser Faszination schätze ich die ganz konkreten Vorteile: Technologische Fortschritte beschleunigen Prozesse und sparen Zeit und Ressourcen. Sie verbinden Menschen weltweit und fördern den Austausch von Ideen und Kulturen. Der Zugang zu Wissen und Informationen wurde revolutioniert – Bildung und Lernen sind dadurch für viele zugänglicher geworden. Und nicht zuletzt entstehen kreative Lösungen für Probleme, die früher unlösbar schienen.
Welche Herausforderungen bringt die digitale Transformation mit sich?
Daten spielen in den Geschäftsmodellen der Versicherungen seit jeher eine entscheidende Rolle – so natürlich auch bei ERGO. Deshalb sind der Einsatz von KI und Robotics für uns wichtige Instrumente, um die Effizienz in unseren Prozessen zu verbessern, unsere Kundenorientierung zu stärken und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.
Die zentrale Herausforderung in meinem Bereich liegt darin, diese Technologien schrittweise in die bestehenden Prozesse zu integrieren und so den Automatisierungsgrad bei der Erstellung unserer HR Sales Services zu erhöhen. Dabei geht es nicht nur darum, Kosten zu sparen. Unser Ziel ist es auch, den Servicegrad für unsere Vertriebe und Mitarbeiter:innen zu verbessern und die Durchlaufgeschwindigkeit der Prozesse zu erhöhen.
Wie habt ihr das Thema Automatisierung organisatorisch strukturiert?
Wir haben vor zwei Jahren eine neue Organisationseinheit „Automation & Digitalisation“ aufgebaut – mit dem klaren Ziel, die Automatisierung und Digitalisierung in unserem Bereich zu gestalten.
Wer sind für dich wichtige Rollen oder Personen, die die digitale Transformation mitgestalten?
Wesentlich für das Gelingen einer Transformation ist sicherlich das gesamte Management-Team. Bei uns sind das vier Abteilungsleiter:innen und 25 Teamleiter:innen. Dieses Team ist der Hebel dafür, dass eine Transformation, die in der Regel mit neuen Prozessen einhergeht, wirklich erfolgreich wird. Wir geben die Richtung vor, nehmen die Mitarbeiter:innen mit, erklären, warum wir was tun, machen neugierig auf die neuen Themen und suchen Lösungen, wo Probleme aufkommen.
Natürlich spielt auch der Vorstand eine wesentliche Rolle. Er muss sichtbar und spürbar die Transformation unterstützen. Dass dies bei uns so gelebt wird, hilft uns, die Transformation erfolgreich umzusetzen.
Nicht zu vergessen sind die Mitbestimmungsgremien: Sie haben eine ganz besondere Funktion, Lösungen im Zusammenspiel von Arbeitgeber- und Mitarbeiter:inneninteressen zu finden.
Kurz gesagt: Das Management-Team, der Vorstand und die Mitbestimmungsgremien – diese drei Säulen entscheiden gemeinsam darüber, ob eine Transformation erfolgreich wird – oder eben nicht!
Welches Mindset steckt dahinter?
Eine Transformation, wie die in unserem Bereich HR Sales, setzt auf neue Prozesse, bedient sich neuer Technologien und fordert sehr viel von allen Beteiligten – und das über Jahre hinweg. Was sich zunächst einfach anhört, entpuppt sich in Wirklichkeit als Vielzahl von Projekten, die parallel zum operativen Betrieb gestemmt werden müssen. Dafür braucht es ein Mindset, das durch Resilienz, Begeisterungsfähigkeit und „Macher-Skills“ geprägt ist. Und natürlich braucht es gute Change– und Kommunikationsarbeit, um alle Beteiligten einzubinden und aktiv mitzunehmen.
Welche Entwicklungen siehst du für die Zukunft der HR-Digitalisierung?
Die Zukunft unseres Bereichs HR Sales wird maßgeblich durch technologische Entwicklungen geprägt sein. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, investieren wir verstärkt in Zukunftstechnologien wie KI, Robotics, moderne Prozessanalyse- und Workflow-Management-Tools. Diese Themen haben wir fest in unserer Change- und Kommunikationsstrategie verankert.
Ich bin davon überzeugt, dass wir als HR-Verantwortliche in den kommenden Jahren beweisen müssen, dass wir diese Technologien beherrschen. Ansonsten wird unser Wissen nicht mehr relevant sein. Diese Technologien verändern unsere Unternehmen grundlegend – und wir müssen diese Veränderung aktiv mitgestalten.
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Was sind deine drei wichtigsten Tipps für Führungskräfte, die ähnliche Transformationen vorantreiben?
Jede Situation ist natürlich individuell und erfordert maßgeschneiderte Herangehensweisen. Trotzdem gibt es drei Punkte, die meiner Erfahrung nach für viele Kolleg:innen hilfreich sind, die eine große Transformation erfolgreich gestalten wollen:
Erstens: Seid erkennbar „technologiebegeistert“. Zeigt allen, wie spannend es sein kann, neue Technologien auszuprobieren und zu nutzen.
Zweitens: Baut auf die Neugier der Mitarbeiter:innen. Neugier kann trainiert werden und hilft dabei, neue Dinge zu entdecken und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen.
Drittens: Erfolgreiche Veränderungen entstehen nicht über Nacht. Insbesondere bei Transformationen, die sich über Jahre erstrecken, sind gute Change- und Kommunikationsformate entscheidend, um die Mitarbeiter:innen bei Veränderungen aktiv mitzunehmen.
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Verfasst von:
Johannes Meyer