Transformation

Die evolutionäre Organisation 

Wie Transformation integraler Bestandteil einer Organisation wird

Barbara Posern
Dezember 10, 2024
9 min Lesezeit

Wie Transformation integraler Bestandteil einer Organisation wird 

Transformation wird immer weniger als temporäres Vorhaben mit klarem Anfang und Ende gesehen und etabliert sich zunehmend als Aufgabe, die auf der täglichen To-Do-Liste der Organisation von morgen steht. Evolution statt Transformation! Hieraus entsteht eine spannende Aufgabe für die Organisationsentwicklung. 

Doch zunächst ein kurzer Blick auf das Heute: Transformation wird als Projekt gemanagt. Je nach thematischem Schwerpunkt werden diese Projekte in unterschiedlichen Unternehmensbereichen durchgeführt: Kulturthemen im Personalwesen, digitale Transformationen in der IT, die Etablierung neuer Produkte und Services im Bereich Produktentwicklung, die Umsetzung strategischer Initiativen im Managementteam. In einigen, eher größeren Unternehmen gibt es dezidierte Transformation Offices, die umfangreiche Programme koordinieren und über verschiedene Geschäftsbereiche hinweg steuern. Klassische Managementmethoden kommen hier zum Einsatz, wie z.B. klare Zielsetzungen und Maßnahmenbeschreibungen, Erfolgskennzahlen, Zeitplanung mit Meilensteinen bis hin zur Verwaltung der verfügbaren Ressourcen. 

Wenn wir davon ausgehen, dass Veränderung zukünftig eine dauerhafte Herausforderung und eine Form der organisationalen Evolution darstellt, sollte Transformation mit Blick auf Strukturen und Prozesse neu gedacht werden, was wiederum Auswirkung auf die Themen Personalentwicklung und Führung hat. 

Ein Transformation Office, dass alle Evolutionsfäden in der Hand hält und koordiniert, ist ein guter Startpunkt, um eine Idee von Ganzheitlichkeit zu realisieren. Ergänzend sehen wir weitere Ansätze und Prinzipien, die Organisationen berücksichtigen sollten, um kontinuierliche Entwicklung erfolgreich zu bewältigen: 

Gesteuerte selbstorganisierte Evolution 

Evolution kann zentral von einer Abteilung initiiert werden, und sollte zukünftig auf der Ebene selbstorganisierter Teams fortgesetzt und operationalisiert werden. Diese haben das Wissen über ihre konkreten Tätigkeiten und dazu (in Zukunft) die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Teams können so kontinuierlich an Verbesserungen und Innovationen arbeiten, in Abstimmung mit einer koordinierenden Instanz, die für den roten Faden der Transformation mit verantwortlich ist. 

Zentrale Initiativen stehen immer vor der Herausforderung, übergeordnete Ziele und Prinzipien zu formulieren, die dann auf Bereiche und Teams übertragen werden – eine Aufgabe, die selten gut gelingt, weil leider noch zu oft top-down gehandelt wird, und eben nicht partizipativ. Dann ist der Rahmen für Teams meist zu abstrakt formuliert, was zur Folge hat, dass die Teams entweder gar nicht aktiv werden oder aber sehr viel Zeit verlieren, um zu verstehen, was von ihnen erwartet wird und wie das in konkrete Aufgaben zu übersetzen ist. Arbeitet ein Transformation Office aktiv mit den Teams zusammen, gelingt diese Aufgabe sehr viel besser und vor allem effizienter. Außerdem sollte es eine Aufgabe sein, die Veränderungsfähigkeit in den Teams zu stärken. 

Jetzt könnte man denken, dass es bald keine Transformation Offices mehr braucht, wenn alles so hübsch selbstorganisiert läuft. Nun, wahrscheinlich wird sich die Veränderungsarbeit tatsächlich stärker in die Teams verlagern, doch es wird weiterhin eine Instanz brauchen, die zum einen für Konsistenz in großangelegten Evolutionsvorhaben sorgt, und die darüber hinaus sicherstellt, dass die Evolutionserfahrungen der Teams der gesamten Organisation zu Gute kommen. 

Gleichzeitig bieten die Beobachtungen der Teams in ihren individuellen Umfeldern, in ihren Märkten und Nutzer:innengruppen wertvolle Informationen für die Transformation Offices in der Konzeption und Anpassung der Evolutionsarchitektur. 

Evolutionäres Mind-Set statt Planungseifer 

Aktuell sind klassische Managementmethoden ganz en vogue in den Transformation Offices, und ich finde: Das ist ein Widerspruch! Wie wollen wir uns verändern, wenn wir dabei die immer gleichen Methoden verwenden?! 

Die Idee von Zielerreichung und einem effizienten Projekt- oder gar Programmmanagement sollte einer neuen Haltung und Vorgehensweise weichen – oder zumindest wesentlich ergänzt werden. Wir sollten nicht mehr rückwärts denken – von einem Ziel zurück in die Gegenwart projizieren, um hier den perfekten Plan zu schmieden. Wir sollten aus der Gegenwart in die nächstmögliche Zukunft denken und dabei auf Agilität statt auf Planverfolgung setzen, auf Ergebnisoffenheit statt auf Zielerreichung. Zielbilder helfen dabei ungemein (siehe unten). 

  

Das Monitoring relevanter Parameter unterstützt dieses evolutionäre Mind-Set, jedoch nicht in Form eines finalen Erfolgsbeweis am Ende eines Vorhabens, sondern besser als datengetriebene Echtzeit-Feedbackschleifen inbetween. Die kontinuierliche Analyse relevanter Kennzahlen unterstützt Organisationen dabei, die nächstmögliche Zukunft zu gestalten. Dieses Vorgehen könnte sich als zentraler Steuerungsmechanismus etablieren. 

Zielbilder als Möglichkeitsräume für Evolution  

Die schnelle Reaktion auf Entwicklungen, die Anpassungsfähigkeit einer Organisation an ein sich permanent veränderndes Umfeld gelten aktuell als das must-have. Aber mal ehrlich: Wie attraktiv und wie resilient ist eine Organisation, die der Zeit hinterherrennt? Ich kann mich gut daran erinnern, als viele Organisationen ihre Verträge mit Trendagenturen aufkündigten, weil sie eingesehen hatten, dass sie die Entwicklung ihrer Produkte aus sich selbst heraus gestalten müssen, erstens um Angebote zu schaffen, die zu ihnen als Marke passen und sich darüber hinaus von den Angeboten der Wettbewerber entscheiden (denn wenn alle die gleichen Trendreports lesen, sind die Antworten entsprechend ähnlich). Das heißt für das Thema Evolution: Organisationen sollten sich aus sich selbst heraus evolutionieren und ihre Zukunft aktiv selbst gestalten. Das gelingt sehr gut mit Zielbildern. Hierbei wird die Umwelt samt ihrer Entwicklungen selbstverständlich berücksichtigt, doch im Fokus stehen die eigenen Vorstellungen von der Zukunft: Welche Zukünfte können wir uns vorstellen, und wie sind wir als Organisation in diesen Zukünften aufgestellt, um weiterhin erfolgreich zu sein? Mit den Antworten auf diese Fragen ist eine Organisation der Zeit voraus. 

Die Kunst liegt nun darin, das Zielbild einer Organisation zu operationalisieren. Ähnlich wie die Evolution der Organisation braucht auch ein Zukunftsbild die Übersetzung in die konkrete Arbeitsumgebung der Teams. Irgendwie hatte Willy Brandt Recht, als er sagte, man solle lieber zu Hause bleiben, wenn man Visionen habe, denn unternehmerische Visionen haben meist eine surreale Flughöhe und dazu einen Verallgemeinerungsgrad, der den Bezug zur eigentlichen Arbeit vollkommen entbehrt. Auch hier braucht es die Kooperation mit den Teams, oder – wenn es zeitlich und budgetär leistbar ist – ein partizipatives Zielbildprojekt. Was hierbei entsteht, ist eine gemeinsame Vorstellung der Zukunft und dazu konkrete Handlungsbeschreibungen für die Teams. OKRs können hier helfen. 

Dynamische Rollen und fluide Strukturen 

In einer Organisation, die sich kontinuierlich weiterentwickelt, sind adaptive Strukturen und Rollen quasi ein Muss. Starre Hierarchien und feste Jobbeschreibungen stehen im Widerspruch zur evolutionären Entwicklung einer Organisation. Ideal sind also dynamische Rollenmodelle, bei denen Mitarbeitende flexibel in verschiedenen Projekten und Teams arbeiten, dazu fluide Strukturen, die sich schnell umstrukturieren und anpassen lassen. Nicht zuletzt sollte auch die Projektarchitektur der Evolution immer wieder geprüft und angepasst werden. 

Evolution durch Neugier und Experimentierfreude  

Noch wichtiger als Strukturen oder Methoden ist die Haltung, die allem zu Grunde liegt. Evolution erfordert eine lernende Organisation, in der das Neugierigsein, Hinterfragen, Experimentieren und Lernen Teil der alltäglichen Kultur ist. Seminare zur Wissensvermittlung weichen erfahrungsbasierten und praxisorientierten Lernansätzen, iterativen Verbesserungen, der Arbeit mit Prototypen, kontinuierlichem Feedback sowie Coaching- und Mentoringprogrammen. Wenn die Menschen Lust auf Neues haben, gern auf Entdeckungsreise gehen, in die Verantwortung gehen, selbst recherchieren, Initiativen starten und ihre Erfahrungen dazu gerne mit anderen teilen ist alles erreicht. 

Mal sehen, was wir in einem Jahr darüber denken… 

Zusammenfassung 

In einer Zukunft, in der Transformation kein temporäres Projekt mehr ist, müssen Organisationen strukturelle Flexibilität, kontinuierliches Lernen und die Arbeit mit Zielbildern etablieren. Den grundsätzlichen Wandel hin zu einer evolutionären Haltung und zu selbstorganisierten Teams ist notwendig, um als Organisation in einem Umfeld stetigen Wandels handlungsfähig und letztlich erfolgreich zu bleiben. 

Verfasst von:

Barbara Posern

Barbara begleitet Organisationen, Teams und Menschen in Transformationsprozessen und verbindet dabei ihre Expertise als Designerin mit ihrer Erfahrung als Coach und strategische Beraterin. Ihr Lieblingsthema: Kunden zu befähigen, neue Lösungen zu entwickeln und auch umzusetzen – ko-kreativ, agil und nutzerzentriert.

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