Die große Welle rund um das Thema Purpose ist nun schon über zehn Jahre alt: In einem energetischen TED-Talk machte Simon Sinek eine ebenso einfache wie überzeugende Idee bekannt: Die Überzeugungs- und Identifikationskraft von Organisationen steht und fällt mit ihrer Fähigkeit, ihren Purpose – also ihre Daseinsberechtigung – geschärft zu haben.
Menschen kaufen nicht was du tust, sondern warum du es tust.
Simon Sinek
Dieses “Warum?” muss laut Sinek Kern einer Organisation sein und bildet die Basis für das “Wie?” (Wie arbeiten wir oder stiften wir Wert?) und das “Was?” (Was stellen wir her oder bieten wir an?).
Ausgerüstet mit dieser Strukturierung haben sich seitdem viele Teams und Organisationen auf Sinnsuche begeben. Aber wo fängt man eigentlich an, wenn man seine Daseinsberechtigung besser verstehen möchte? In vielen Organisationen laufen Purpose-Projekte oft darauf hinaus, dass ein kleines Gremium (oft Führungskräfte) in langen Debatten über mögliche Formulierungen debattieren: Was könnte unser Purpose sein? Ist das knackig genug? Warum rockt das noch nicht so wie bei Apple? Die entstehenden Wortgebilde tragen dann die Handschrift ihrer Autor*innen, verstetigen sich aber oft nicht in Teams und Organisationen.
Meine Beobachtung ist: Viele Teams finden die Idee “Purpose” gut und richtig, aber wenige haben eine Idee wie man eigentlich die Suche danach strukturieren könnte. Hierzu ein paar pragmatische Hinweise mit vier “Blickwinkeln”, aus denen sich ein Purpose besser erkennen lässt.
Zunächst zur Einordnung:
- Ein Purpose wird nicht entwickelt, er ist schon da. Ein Purpose-Projekt hat das Ziel, bereits existierenden Assoziationen und Gedanken zur Daseinsberechtigung eine besser greifbare Form zu geben.
- Wer einen Purpose formulieren möchte, braucht Inspiration, die über die eigene Erfahrungswelt hinausgeht. Eine Formulierungs-Taskforce, in der über Begrifflichkeiten philosophiert wird, reicht hier nicht. Es muss eine strukturierte Suche nach dem Unerwarteten geben, nach Geschichten, Perspektiven, Gefühlen.
- Ein stabiler Purpose erfordert ein 360-Grad-Bild der Daseinsberechtigung: Ein Purpose, der aus einer einzigen Blickrichtung formuliert ist, fühlt sich aus anderer Perspektive oft unausgegoren an.
Konkret empfehle ich mindestens diese vier Blickwinkel, um Impulse für ein Verständnis des Purpose zu sammeln:
- Gründungsgeschichte
- Kunden
- Mitarbeitende
- Ökosystem
In einem Purpose-Projekt sollte die meiste Arbeit in das Sammeln von qualitativen Daten aus diesen Quellen fließen. Die jeweiligen Perspektiven werden dann abgeglichen, um einen gemeinsamen Kern zu bestimmen.
Gründungsgeschichte
Der Gründungsmythos einer Organisation kann eine inspirierende Quelle für Purpose-Datenmaterial sein. Durch Interviews mit Gründungsfiguren und Recherche in entsprechenden Dokumenten tritt oft ein Selbstverständnis zutage, das über Produkte und Strategien hinaus geht. Was genau sahen die Gründenden als Sinn der Organisation? Was ist der Kern, der geblieben ist? Wofür wurde die Organisation ursprünglich mal in die Welt gesetzt?
Kund*innen
Natürlich sind Kund*innen eine wichtige Inspirationsquelle für die Purpose-Bestimmung. In qualitativer Forschung lässt sich der Frage nachgehen, welche Daseinsberechtigung Kund*innen einer Organisation eigentlich zuschreiben. Welchen Wert stiftet die Organisation im Leben von Menschen? Welches Problem löst sie für sie? Was würde Kund*innen fehlen, wenn es sie nicht gäbe?
Mitarbeitende
Ein Purpose soll für Mitarbeitende als höheres Ziel ihrer Arbeit anknüpfbar und motivierend sein. Mitarbeitende sind deshalb eine wichtige Datenquelle: Welches höhere Ziel verbinden Teammitglieder mit ihrer Arbeit? Was motiviert sie? Was lässt sie loyal bleiben? Was erzählen sie ihrem privaten Umfeld über ihre Arbeit? In welchen Momenten fühlen sie sich mit ihrer Arbeit in Einklang? Auch hier kann qualitative Forschung relevante inhaltliche Bausteine liefern.
Ökosystem
Neben den beteiligten Akteuren haben viele Organisationen auch eine Daseinsberechtigung im Ökosystem. Sie sind Baustein von etwas Größerem, das ohne sie unvollkommen wäre. Auch aus dieser Perspektive lässt sich Forschung betreiben, um Versionen von Purpose-Formulierungen aufstellen: Welche Sicht haben andere Teile des Ökosystems auf die Organisation? Was würde ohne sie fehlen oder nicht so gut funktionieren wie es das jetzt tut?
Im Rahmen einer Purpose-Exploration lohnt es sich, mindestens diese Perspektiven zu berücksichtigen, Inspirationen zu sammeln und auch mutig Entwürfe aus einzelnen Blickwinkeln zu formulieren. Im Rahmen einer strukturierten Synthese treten dann oft Leitthemen hervor, die zu einer passenden Aussage oder einer Formulierung führen können. Die erste Empfehlung für ein Purpose-Projekt ist also: Raus aus dem Meeting-Raum und Inspiration sammeln! Gerne helfen wir bei der Strukturierung.
Verfasst von:
Johannes Meyer