Dr. Ricarda Rehwaldt ist Glücksexpertin. Als Organisationspsychologin, Autorin mehrerer Bücher und Gründerin der Beratung FELICICON geht sie der Frage auf den Grund: Was bedeutet Glück für Menschen bei der Arbeit?
Eine einfache und doch komplexe Frage zu Beginn: Was ist Glück?
Glück hat zwei Komponenten: eine affektive und eine kognitive. Die affektive Komponente ist das Gefühl „ich bin gerade glücklich“. Zu Recht kann man diese Art Glück als sehr flüchtig bezeichnen – es ist ein Zustand, der da ist und unter Umständen sofort wieder weg. Es gibt allerdings auch die kognitive Komponente von Glück. Da geht es um eine Art Raster, in dem vergangene Glücksgefühle bewertet werden nach Häufigkeit, Intensität und Dauer. Daraus entsteht die Bewertung „Wie glücklich bin ich generell?“.
Glück ist übrigens etwas anderes als Zufriedenheit. Ich bin zufrieden, wenn meine Erwartungen und Ziele erfüllt wurden. Und wenn meine Erwartungen nicht erfüllt wurden, kann ich sie anpassen und somit trotzdem, mit niedrigeren Erwartungen, zufrieden sein. Zufriedenheit hängt dabei insbesondere von externen Dingen ab: Gehalt, Urlaub, Kaffeeautomaten, Bonuszahlungen und Kollegen. Das alles macht Zufriedenheit zu etwas Lähmenden. Oft führt es dazu, dass Menschen in Jobs bleiben, die sie offensichtlich unglücklich machen – schlicht, weil sie ihre Erwartungen an äußere Umstände herunterschrauben.
Glück ist etwas anderes als Zufriedenheit.
Was macht Menschen in der Arbeit denn überhaupt glücklich?
Unserer Forschung zufolge sind für Glück in der Arbeit insbesondere drei Faktoren gleichermaßen relevant: Sinn, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft. Wenn man Menschen befragt, nennen sie die Gemeinschaft oft als erstes. Ein konkretes Beispiel ist hier das gemeinsame Hinarbeiten auf ein Ziel. Das klingt simpel, ist es aber oftmals nicht. Denn oft ist das gemeinsame Ziel gar nicht klar, sondern muss in einer Art Konkurrenzkampf ausgefochten werden – und das ist für Glück äußerst schädlich.
Selbstverwirklichung hingegen bedeutet, passende Aufgaben zu machen. Wir wollen Dinge tun, die uns liegen. Wir brauchen das Erleben von eigener Kompetenz. Etwas nicht hinzukriegen oder eine Frage nicht beantworten zu können, macht uns gestresst und unglücklich.
Sinn bedeutet für viele Menschen zu wissen, auf welches Ziel ihre Arbeit einzahlt. Aber nicht nur das: Das Ziel soll ein möglichst „gutes“ Ziel sein. Es macht uns glücklich, anderen oder der Welt zu helfen.
Es macht uns glücklich, anderen oder der Welt zu helfen.
Glück ist ja schön und gut. Aber warum ist es überhaupt notwendig, in der Arbeit glücklich zu sein?
Das kann man auf zwei Ebenen betrachten: auf der individuellen Ebene und auf der Organisationsebene. Für die individuelle Ebene zeigt eine Studie des Psychologen Daniel Kahnemann, dass das Glücksempfinden der Menschen radikal nach unten geht, sobald sie arbeiten, verglichen mit der arbeitsfreien Zeit. Das ist total traurig. Insbesondere wenn wir bedenken, wie viel Zeit wir im Leben mit Arbeiten verbringen und wie sehr sich unsere emotionale Verfassung auch auf unsere körperliche Verfassung auswirkt. Glückliche Menschen sind gesünder, leben länger, sind seltener und weniger heftig krank. Auch haben gesunde Menschen weniger Konflikte und bessere soziale Beziehungen. Es geht bei Glück also um sehr fundamentale Dinge.
Das Glücksempfinden der Menschen geht nach unten, sobald sie arbeiten
Das stimmt auch für Unternehmen. Denn glückliches Personal bedeutet für die Unternehmen nicht nur eine gesündere, sondern auch eine weniger fluktuierende Belegschaft. Fluktuation ist für Unternehmen sehr teuer. Angestellte, die glücklich sind, sind oft motivierter. Sie bleiben entsprechend länger beim Unternehmen und müssen auch nicht mit teuren Bonuszahlungen bei der Stange gehalten werden. Außerdem gilt: Wer gute Laune hat, hat oft kreative Ideen. Wer schlechte Laune hat, hat oft keine Ideen. Ein Nebeneffekt von guter Laune ist übrigens auch, dass Menschen extrovertierter werden. Das hat zwei Vorteile: Schwelende Konflikte unter Kollegen werden schneller behoben und Kunden und neue Talente werden durch die positive Stimmung angezogen und gebunden.
Wie sehr liegt die Verantwortung für unser Glück bei uns selbst, wie sehr bei dem Unternehmen?
Es sind ganz klar beide gefragt – die einzelne Person und das Unternehmen. Das weiß man ja auch aus der Organisationsentwicklung: Wenn sich nur die Organisation verändert, dann kommen die Menschen nicht mit und kündigen wohlmöglich. Wenn sich hingegen nur die Menschen verändern, dann stoßen sie irgendwann an strukturelle Grenzen in der Organisation und kündigen schlussendlich ebenfalls. Das heißt, es muss immer parallel laufen.
Glück ist kein Zustand. Es ist ein Prozess. Eine Form von innerer Haltung. In der Tat wissen die meisten allerdings viel zu wenig über Glück. Wenn man Menschen fragt, was sie glücklich machen würde, antworten sie mit materiellen Dingen: etwas mehr Geld, ein neues Auto und so weiter. Aber all das hat in Wahrheit gar nichts mit Glück zu tun, sondern entstammt eher unserer Sozialisierung. Das müssen wir auf der individuellen Ebene lernen.
Die meisten wissen viel zu wenig über Glück.
Unternehmensseitig müssen aber auch die passenden Umstände geschaffen werden. Der Sinn des Unternehmens – die Antwort auf die Frage „worauf zahlt unsere Arbeit ein?“ – muss für jeden im Unternehmen deutlich und verständlich sein. Das wird derzeit von den Unternehmen noch ganz stark versäumt. Aber auch für die Selbstverwirklichung und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen müssen neue Wege gefunden werden. Da sind ganz klar die Unternehmen gefragt.
Was kann denn jeder von uns tun, um mit einem Lächeln durch den nächsten Arbeitstag zu gehen?
Generell kann ich drei Dinge empfehlen. Erstens: bevor man irgendetwas anfängt, zu fragen „Warum mache ich diese Aufgabe eigentlich?“. Zweitens: sich eine Struktur zu geben. Das können schlichte To-Do-Zettel sein oder feste Fokuszeiten. Und drittens: sich zu fragen „Wie muss mein Arbeitsprodukt am Ende aussehen, damit ich stolz darauf bin?“.
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