Transformation

Wie funktioniert Impact, Shamim?

Ein Coffee Talk über die neue Rolle von Unternehmen und wie man den Wunsch nach Impact in sich und anderen weckt

Dr. Shamim Rafat
November 8, 2021
6min Lesezeit
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In unserem letzten Coffee Talk haben Dr. Shamim Rafat, Geschäftsführer und Gründer von zero360, und Désirée Seibel, Lead Brand and Communication, darüber gesprochen, was Impact mit der zero360 Gründungsstory zu tun hat. Über erste Schritte, um Impact zu erlangen und wie Organisationen Impact neu interpretieren sollten.

In unserem zweiten Coffee Talk beantworten wir die Frage, was Unternehmen jetzt tun müssen, um den geänderten Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden, wie sich dadurch die Rolle von Unternehmen ändert und wie man Menschen zu mehr Impact und Selbstwirksamkeit befähigen kann.

Désirée: In unserem letzten Gespräch haben wir intensiv über die neuen Erwartungen der Gesellschaft an Unternehmen gesprochen. Unternehmen sind gefragt, ihre Veränderungsmacht für einen positiven Wandel in der Gesellschaft und für die Umwelt zu nutzen. Was genau müssen Unternehmen jetzt also tun, um diesen Anforderungen gerecht zu werden?

Shamim: Unternehmen brauchen eine neue Bemessungsgrundlage: Sie sind gefordert, der Gesellschaft mehr als nur gute Produkte und Lösungen zurückzugeben. 

Viele Unternehmen denken um und haben den Fokus bei Innovationen und strategischen Entscheidungen von User Centricity hin zu Planet Centricity verschoben. Nachhaltige Geschäftsmodelle und Impact Labs sind hier wichtige Stichworte. Besonders aktuell gibt es hier spannende Beispiele, wie das Sustainability Innovation Lab von mastercard zur Erforschung klimaneutralen Konsums, oder auch PepsiCo mit dem Programm für nachhaltige Transformation pep+.

Désirée: Unternehmen sind also nicht mehr nur Produkt- und Lösungsanbieter, sondern Gesellschaftsgestalter.

Shamim: Ja, das sind sie in der Tat. Unternehmen ko-gestalten unsere Gesellschaft, und zwar über Produkte, Services und Geschäftsmodelle und über den Umgang mit Mitarbeitenden und Ressourcen.

Dafür müssen sich Unternehmen ernsthaft mit ihrem Purpose beschäftigen. Warum sind wir da und tun, was wir tun? Woran glauben wir? Was würde der Gesellschaft, der Umwelt und den Menschen fehlen, wenn wir nicht mehr da wären? Und was wollen wir in der Welt bewegen?

Unternehmen ko-gestalten unsere Gesellschaft, und zwar über Produkte, Services und Geschäftsmodelle und über den Umgang mit Mitarbeitenden und Ressourcen.

Wenn diese Fragen beantwortet werden und Unternehmen wirklich dementsprechend handeln, dann schaffen sie einen greifbaren Impact.

Désirée: Was haben Unternehmen davon?

Shamim: Wenn diese Idee wirklich konsequent gelebt wird, dann erschließen sich Unternehmen viel größere Innovationspotenziale, weil sie insgesamt größer und in Ökosystemen denken können und nicht mehr nur in ihrem engen Geschäftsfeld-Kontext gefangen sind. 

In diesem Zusammenhang gibt es aber eine unangenehme Wahrheit: Der Purpose eines Unternehmens ist – genau wie alle anderen Elemente der Organisation – einer sich permanent ändernden Welt ausgesetzt. Das bedeutet, um wirklich Purpose-geleitet zu handeln, reicht Agilität allein nicht mehr aus.

Désirée: Kannst du hierfür ein Beispiel geben?

Shamim: Ganz aktuell: Viele Unternehmen sind dabei sich agil aufzustellen, um auf Dynamiken und sich ändernde Kundenanforderungen zu reagieren.

Anstatt aber nur erfolgreich auf Veränderungen zu reagieren, müssen Unternehmen Zukunftsszenarien im Blick haben und damit proaktiv weiterarbeiten.

Anstatt aber nur erfolgreich auf Veränderungen zu reagieren, müssen Unternehmen Zukunftsszenarien im Blick haben und damit proaktiv weiterarbeiten. Wir nennen diese Verbindung aus Agilität und Foresight „Prädaption“.

Désirée: Was machen aus deiner Sicht denn prädaptive Organisationen aus?

Shamim: Prädaptive Organisationen denken und handeln agil und schaffen es, agiles Handeln mit einem zukunftsgewandten Blick zu koordinieren. Sie sind also nicht nur fähig, sich an äußere Umstände zu adaptieren, sie antizipieren diese Umstände und wirken auf sie ein. Das Entscheidende hierbei ist, dass sie sich bereits verändern, beziehungsweise anpassen oder dazu bereit sind, bevor äußere Umstände sie dazu zwingen. Dadurch verhindern Organisationen, von Krisen kalt erwischt und fremdgesteuert von ihnen getrieben zu werden. Das haben in der Pandemie leider viele Unternehmen und Branchen erleben müssen.

Das heißt hinsichtlich Purpose, dass sich auch hier teilweise der Kontext verändert, in dem mein Purpose Orientierung geben und Impact erzeugen soll. Dem müssen Unternehmen Rechnung tragen, indem sie ständig hinterfragen, wie der Purpose wirksam werden kann und wie sie Impact unter sich ändernden Umständen erzeugen können. Und dafür müssen sie prädaptiv sein.

Désirée: Ist eine Fokussierung auf Purpose und Impact überhaupt realisierbar für gewinnorientierte Unternehmen?

Shamim: Profitorientierte Unternehmen konzentrieren sich zu häufig auf Selbstoptimierung und sehen Purpose und Wertstiftung eher als Zusatzaufgabe an. Mittlerweile wird jedoch sehr schnell aufgedeckt, wenn Impact nur als Deckmantel für mehr Profitabilität verwendet wird. Profit ist also kein Selbstzweck mehr, sondern die Folge des gesellschaftlichen und ökologischen Gewinns. 

Trotzdem ist die Bedeutung von Wirtschaftlichkeit für den Bestand eines Unternehmens nicht wegzudiskutieren. Impact Brands wie Tony’s Chocolonely und Patagonia machen es vor: Sie überwinden den Konflikt zwischen Impact und Profitorientierung, kombinieren diese und sind so auch in übersättigten Märkten erfolgreich.

Profit ist also kein Selbstzweck mehr, sondern die Folge des gesellschaftlichen und ökologischen Gewinns. 

Aktuelle Studien zeigen, dass das wirklich funktionieren kann, weil Kund:innen bisher genutzte Angebote sofort durch ein Angebot mit einem nachhaltigeren Impact ersetzen würden und auch bereit sind, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen. Sogar Mitarbeitende nehmen ein geringeres Gehalt in Kauf, wenn sie für ein Unternehmen arbeiten können, an deren Mission und Werte sie glauben.

Désirée: Um noch konkreter zu werden – ist Impact Messung schwierig?

Shamim: Die Messbarkeit von Impact ist ein sehr komplexes Thema. Zunächst ist es wichtig, die Ziele neu zu formulieren. Unternehmenserfolg muss anders bemessen werden, als wir es bisher tun, um Profit- und Impactorientierung zu vereinen. 

Es ist nicht genug, wenn der gewünschte Impact nur in dem Purpose niedergeschrieben wird. Um wirksam zu sein und alle Ebenen innerhalb der Organisation nachhaltig zu überzeugen, muss sich Impact im Reporting niederschlagen. Dadurch wird auch gegenüber der Öffentlichkeit die Beweisführung angetreten, dass Impact mehr als ein Marketingversprechen ist.

Désirée: Wir haben viel darüber gesprochen, wie wichtig die Rolle des Individuums ist. Wie kann man Menschen befähigen, ihren Impact zu stärken und bewusst zu nutzen?

Shamim: Ausgangspunkt dafür ist aus meiner Sicht das individuelle Menschenbild. In meinem Menschenbild betrachte ich jedes Individuum als ein Bergwerk reich an Edelsteinen. Die Edelsteine stehen hier symbolisch für Ressourcen, Talente und Potenziale. 

Es ist eine individuelle Aufgabe, die eigenen Edelsteine im Zuge einer lebenslangen Lernreise zu polieren, also Talente und Potenziale zu entfalten und mehrwertstiftend einzusetzen. 

Ich glaube, dass Menschen in Unternehmen den größten Impact entfalten können, wenn folgende Rahmenbedingungen vorhanden sind: 

Vertrauen, Transparenz, Zusammenarbeit, Wertschätzung und Identifikation: Vertrauen in die Fähigkeiten und Qualitäten der Mitarbeitenden. Transparenz bei der Kommunikation von Zielen, Entscheidungen und Entwicklungen im Unternehmen. Zusammenarbeit über Hierarchien und Abteilungen hinweg. Wertschätzung für die Leistungen und Errungenschaften von Einzelnen als auch im Kollektiv sowie Identifikation mit dem Purpose des Unternehmens. Das sind für mich wichtige Eckpfeiler guter Unternehmensführung.

Désirée: Hast du abschließend noch ein persönliches Takeaway für mehr Impact und Selbstwirksamkeit?

Shamim: Impact fängt bei jedem selbst an. Wenn man Menschen in Unternehmen bewegen möchte, um diese Unternehmen zu transformieren, muss diese Transformation auch immer bei einem selbst stattfinden.

Impact fängt bei jedem selbst an.

Dazu gehört es, die eigene Rolle im System beziehungsweise in den Systemen, in denen man agiert, zu verstehen. Dieses erfordert eine regelmäßige Selbstreflektion und innere Arbeit. Ich bin davon überzeugt, dass eine hohe Selbstwirksamkeit eine hohe Strahlkraft auf den Impact hat, den man erzeugt. Man muss daran glauben und es vor allem tun!


Verfasst von:

Dr. Shamim Rafat

Mit Weitsicht und Passion hat Shamim die stetige Weiterentwicklung von Team und Firma im Blick. Er berät unsere Kund*innen in der Strategieentwicklung und Umsetzung von Innovations- und Transformationsprozessen. Mit seinem Wissen und Erfahrungsschatz inspiriert er Kund*innen und Team gleichermaßen. Shamim ist einer der stolzesten Väter der Stadt.

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