Leadership

Teamwork braucht Führung – Wie fördere ich psychologische Sicherheit?

Drei Reflexionsfragen und praktische Tools für eine offene Teamkultur

Sinem Düzgün
Jella Gullmann
Oktober 17, 2023
6 min Lesezeit

Mit dem Wunsch, in dieser sich schnell verändernden Umwelt als Team nachhaltig performant zu bleiben, begleitet uns das Thema Psychologische Sicherheit immer wieder in der Projektarbeit mit Kund:innen. Fest steht: Führungskräften kommt hierbei eine entscheidende Rolle als Vorbilder und Möglichmacher zu. Dabei fragen sie sich oft: Was kann ich tun, um psychologische Sicherheit zu fördern? Und wo fange ich eigentlich an?

Wir haben drei Reflexionsfragen und praktische Tools für eine offene Teamkultur im Unternehmen zusammengetragen.

Das Konzept der „psychologischen Sicherheit“

Gerade in den aktuellen Zeiten großer Veränderungen fragen sich Mitarbeitende, ob ihr Job sicher sei, wie es mit der Organisation weiterginge und welche Folgen und negativen Konsequenzen am Arbeitsplatz eintreten könnten.

All dies sind Bedenken, die auch viele Führungskräfte nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausräumen können. Aber wie können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden trotzdem unterstützen?

Amy Edmondson, wegweisende Professorin für Führung und Management an der Harvard Business School, forschte in den 1990er Jahren unter anderem an Teams in Krankenhäusern, wo die Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden unter Stress und in emotional herausfordernden Situationen entscheidend ist für Leben und Tod von Patient:innen. Sie stellte dabei fest, dass erfolgreiche Teams mehr über ihre Fehler reden als andere. Das Konzept der „psychologischen Sicherheit“ entstand.

Das Thema ist heute relevanter als je zuvor, weil Kollaboration, Wissensaustausch und Transparenz in Teams immer mehr an Bedeutung gewinnen. Mitarbeitende auf allen Hierarchieebenen verbringen heute 50 % mehr Zeit damit, mit anderen zusammenzuarbeiten als noch vor 20 Jahren.

Psychologische Sicherheit beschreibt das Konzept einer offenen Kultur, in der Respekt, Ehrlichkeit und ein Gefühl der Sicherheit gelebt wird. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Möglichkeit Fehler zu machen und vor allem über diese reden zu dürfen. Dies bedeutet nicht, dass erfolgreiche Teams prinzipiell weniger Fehler machen, sondern, dass sie diese offen kommunizieren. Die ehrliche und transparente Reflexion im Team, die vor allem auch das Scheitern thematisiert, schafft eine offenere und sicherere Arbeitsumgebung. Die Teams lernen so aus ihren Fehlern, wachsen an diesen und entfalten neue Potenziale – das wiederum kommt der gesamten Organisation zugute.

Symptome von fehlender psychologischer Sicherheit sind eine Arbeitskultur, in der Fehler geheim gehalten werden, Bedenken nicht ehrlich ausgesprochen und Ideen weniger hinterfragt werden. Dies kann zu einem Rückgang der Kreativität und Produktivität führen und Teams in ihrer alltäglichen Arbeit einschränken. Vor allem der fehlende Lerneffekt durch nicht offen kommunizierte Fehler wird bei Teams mit fehlender psychologischer Sicherheit spürbar. Im Extremfall kann dies in einer Kultur der Angst münden.

Mehr dazu, was genau psychologische Sicherheit ist und zwei Handlungsprinzipien, die euch helfen, psychologische Sicherheit zu fördern, könnt ihr auch hier finden.


Warum psychologische Sicherheit heute so wichtig ist

Psychologische Sicherheit ist also längst kein ‚nice-to-have‘ mehr, sondern entscheidend, um in dieser sich schnell verändernden Umwelt als Team nachhaltig performant zu bleiben. Deshalb begleitet uns das Thema auch immer wieder in der Projektarbeit mit Kund:innen. Fest steht: Führungskräften kommt hierbei eine entscheidende Rolle als Vorbilder und Möglichmacher zu. Dabei fragen sie sich oft: Was kann ich tun, um psychologische Sicherheit zu fördern? Und wo fange ich eigentlich an?

Dabei ist es wichtig zu wissen: Psychologische Sicherheit ist ein stetiger Prozess. Es geht darum, den Raum für offenen und ehrlichen Austausch zu bieten und den Mut zu fördern, Unsicherheiten, neue Ideen und Wünsche anzusprechen.

Führungskräfte schaffen hierbei einen sicheren Rahmen, in dem sie eigene Fehleinschätzungen und Schwächen offen teilen und erzählen, was sie daraus gelernt haben.

Hierfür möchten wir euch ein paar Methoden und Tools vorstellen, die dabei helfen psychologische Sicherheit in Teams zu fördern.


Reflexionsfragen und praktische Tools für mehr psychologische Sicherheit im Team

Es gibt wirksame Reflexionsfragen und Formate, die Führungskräfte nutzen können, um im Team einen sicheren Raum für einen offenen Austausch zu schaffen. Diese können auch in den Rollen als Moderator:innen, als Scrum Master oder als Teamleitung angewandt werden.

Reflexionsfragen

Eine wichtige Voraussetzung für psychologische Sicherheit ist es, sich gut im Team zu kennen: „Was sind die Ziele meiner Kolleg:innen/ Mitarbeitenden?“, „Was sind ihre Bedürfnisse in der Zusammenarbeit?“ oder „Welche Ängste haben sie?“. Eine ehrliche Reflexion kann durchaus anstrengend sein. Um hier einen vertrauensvollen Austausch zu fördern und sich besser kennenzulernen, nutzen wir kraftvolle Fragen als Hilfestellung.

Eine mögliche Frage wäre: „Wie bist du aufgewachsen?“. Inspiriert von Patrick Lencioni führt diese scheinbar simple Frage zu intimen Gesprächen im Team, fernab vom Arbeitskontext. Diese Frage funktioniert deshalb so gut, weil wir uns alle lebhaft daran erinnern können, wie wir aufgewachsen sind und keine Verantwortung für diesen Status der Kindheit tragen. Dadurch sind Gefragte eher bereit über ihre eigene Geschichte zu reden und sich mitzuteilen. Auf diese Weise erfahren wir mehr über die verschiedenen Charaktere in unserem Team und können Handlungsweisen besser nachvollziehen.

Eine wichtige Reflexion ist die Auseinandersetzung mit uns selbst und damit, wie wir als Teammitglied auf andere wirken können. Mit der Frage „Welche meiner Eigenschaften könnten im Team zu Spannungen führen?“ schicken wir Teams proaktiv auf die eigene Reflexionsreise und lassen sie mehr über die eigene Person und das Wirken auf andere herausfinden.

Ein weiteres Format, welches wir gerne in Workshops nutzen, ist die Aufforderung „Ask me anything“. Diese Frage kann zum Austausch über die eigene Sicht auf das Unternehmen, die Teamqualität, aber auch über eigene Befürchtungen und Ängste führen.

Ziel dieses Formats ist es, als Führungskraft mit positivem Beispiel voranzugehen, Raum für Ehrlichkeit und Offenheit zu bieten und sich auch unangenehmen Fragen zu stellen. Für Mitarbeitende spiegelt dieses Format eine Form der Sicherheit wider. Wir empfehlen dieses Format fest zu etablieren und mindestens einmal im Jahr oder Halbjahr stattfinden zu lassen, da Führungskräfte unserer Erfahrung nach häufiger und offener kommunizieren und informieren sollten.

Konflikt-Antizipation

Bei der „Konflikt-Antizipation“ werden potentielle Spannungen bzw. Konflikte proaktiv adressiert. Hier bitten Coaches oder Führungskräfte ihre Teams, zwei bis drei Personen aus der Runde zu identifizieren, mit denen sie das größte Spannungspotenzial ausmachen. Im nächsten Schritt sollen diese Personen miteinander in den Austausch gehen und gemeinsam über die möglichen Konfliktpunkte diskutieren. Durch die vorausschauende Antizipation werden Spannungen proaktiv angesprochen, wodurch spätere Eskalationsrisiken reduziert werden können. Aus unserer Erfahrung heraus entstehen so ehrliche und intime Gespräche zu Irritationen und unterschwelligen Spannungen.

Stinky Fish

Unser Dauerbrenner, der vor allem bei zunehmender Distanz in Teams durch hybride Arbeit viel Anklang findet, ist der „Stinky Fish“. Hier ist der Fisch eine Metapher für die Herausforderungen, die Teams mit sich tragen. Ganz wie im echten Leben beginnt dieser Fisch immer stärker zu stinken, je länger man ihn versucht zu ignorieren.

Dazu ist die Visualisierung auf einem Whiteboard hilfreich: Malt einen Fisch in die Mitte des Boards und ergänzt folgende Fragen (oder Varianten davon):

  • Was sind deine Unsicherheiten?
  • Was macht dir Angst, oder gibt dir Bedenken?
  • Was denkt jede:r, aber niemand spricht es aus?
  • Welche vergangenen Probleme können wir nicht vergessen?

Gemeinsam werden die Antworten gesammelt, diskutiert und dokumentiert. So entsteht ein Themenbacklog, an dem das Team nun zukünftig arbeiten kann, um die Zusammenarbeit nachhaltig und langfristig zu verbessern.

Hast du eines der Formate in deinem Team ausprobiert? Wie war die Reaktion? Teile gerne deine Erfahrungen und Fragen mit uns unter: hello@zero360.de


Verfasst von:

Sinem Düzgün

Sinem ist leidenschaftliche (In-)Fragestellerin, die sich in mehr als nur einer Welt zu Hause fühlt. Transformation und Diversität bilden den Fokus ihrer Arbeit. Mit Empathie und Beobachtungsgabe begleitet sie Teams und Organisationen in Veränderungsprozessen und hat Sinn für pragmatische Lösungen.

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Jella Gullmann

Für Jella steht der Mensch im Fokus aller Transformationsprozesse. Ob Start-Up oder Konzern – Für sie ist die Entfaltung von Potenzialen im Team und auf individueller Ebene entscheidend. Sie steht damit für eine nachhaltige und menschenzentrierte Organisationsentwicklung. Mit Erfahrung im Digital Consulting und Coaching, unterstützt sie Unternehmen bei der agilen Transformation.

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