Innovation

Klimatechnologie und Investments: Wie Europa aus seinem Vorsprung Kapital schlagen könnte.

Über die Folgen der Klimakrise, Technologien die dagegenwirken und die Rentabilität von Nachhaltigkeit.

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Dezember 7, 2022
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In seinem früheren Leben war Danijel Višević Teil des Kommunikationsteams von Angela Merkel. Heute ist er anerkannter Vordenker im Bereich der Klimatechnologie und Gründungspartner des World Fund, eines der führenden europäischen Venture Capitals für Klimatechnologie. Der World Fund investiert in Technologien, die das Potential haben pro Jahr mindestens 100 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einzusparen.  

Danijel Višević spricht mit uns darüber, wie World Fund heute die wertvollsten Unternehmen des nächsten Jahrzehnts aufbaut und wie schwierig es war, Kapitalgeber zu überzeugen, in einen 5 TR EUR Markt zu investieren.

Was ist deine Rolle beim World Fund und was tust du den ganzen Tag? 

Neben drei weiteren Partner:innen bin ich bin einer der Gründer des World Fund. Zusammen mit Tim Schumacher und Daria Saharova – beide als beste Investor:inen 2020 von den German Start-up Awards ausgezeichnet – ist Craig Douglas mit uns im Team, ein Physiker und Chemiker und einer der erfahrensten Climate Tech Investoren in Europa. 

Zusammen haben wir den größten Climate Tech VC Funds aufgebaut und investieren in Start-ups, die mit ihrer Technologie mindestens 100 Megatonnen CO2-Einsparpotential pro Jahr haben.  

Eins steht fest: Wir müssen dekarbonisieren. Unternehmen, die dazu beitragen werden zu den wertvollsten der nächsten Dekade werden. Also werben wir dafür Gelder an.  

Von den 350 Millionen, die wir uns als Ziel gesetzt haben, haben wir schon den größten Teil zusammengetragen. Vor einem Jahr haben wir angefangen zu investieren und Anfang nächsten Jahres werden wir unser Fundziel erreicht haben. Wir hoffen, dass wir damit helfen werden, die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern.

Du hast gesagt, ihr seid erfolgreich darin, Gelder anzuwerben. Wie sind die Reaktionen der Investor:innen?  

Anfangs sind wir recht naiv gewesen und haben in unseren Pitches viel über die Klimakrise gesprochen. Schlimme Folgen können wir schon jetzt nicht mehr abwenden. Aber die schlimmsten Folgen, wie das Aussterben der Menschheit und des Großteils des Lebens auf der Erde können wir noch verhindern, wenn wir die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre schnell reduziert bekommen.  

Irgendwann haben wir verstanden, dass wir vor allem über das Finanzpotenzial von Climate Tech sprechen müssen. Auch unser Assessment, also die Art, wie wir entscheiden, ob eine Technologie in der Lage ist, 100 Megatonnen CO2 pro Jahr einzusparen, ist im Grunde eine Finanzkenngröße, weil wir unsere Wirtschaft dekarbonisieren müssen und daher Startups mit solchen Technologien mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den wertvollsten Unternehmen der nächsten Dekade gehören werden. 

Wir müssen unsere Wirtschaft dekarbonisieren. Startups mit solchen Technologien werden mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den wertvollsten Unternehmen der nächsten Dekade gehören.

Ja, man muss tatsächlich immer noch erklären, dass sich Nachhaltigkeit auszahlt und rentiert. Aber wie kommt man eigentlich von einer nachhaltigen Suchmaschine, die Bäume pflanzt, zu einem World Fund. Warum wurde genau das als Aktivität ausgewählt? 

Ecosia ist unsere erste Investorin gewesen und hat uns geholfen World Fund aufzubauen. Sie beweist, dass positiver Impact und viel Geld verdienen durchaus zusammenpassen. Ecosia’s Zahlen sind transparent – pro Monat macht sie mehr als 3 Millionen Umsatz und fast 2/3 davon sind Profit. Ecosia investiert den Profit in das Pflanzen von Bäumen – bisher mehr als 150 Millionen. Bäume machen einen Unterschied, aber der Unterschied ist nicht groß genug, die Treibhausgase so schnell aus der Atmosphäre zu bekommen, wie wir es eigentlich müssten. Was wir auch brauchen, sind Technologien, die uns beispielsweise helfen vom Fleischkonsum wegzukommen. Technologien, die es schaffen, dass wir pflanzliche Steaks essen, die aber genauso gut oder noch besser schmecken. Oder auch durch eine Transformation der Kakao-Industrie. Eines unserer Start-ups beliefert schon jetzt Schokoladenhersteller mit Kakao aus dem Labor – ganz ohne, dass dafür Regenwälder abgeholzt werden zu müssen.  

Besonders in den Bereichen Energie, Fertigung, Bau, Verkehr, Lebensmittel, Landwirtschaft und Bodennutzung gibt es enorme CO2-Einsparpotentiale. Das betrachten wir als riesige Investmentchance und so haben wir uns entschlossen World Fund zu gründen. Als wir beschlossen haben, auf Anhieb 350 Millionen Euro einzusammeln, haben uns zwar alle viel Erfolg dabei gewünscht, aber wir haben zwischendurch auch immer wieder gemerkt, dass manche dachten, dass wir uns damit überheben.  

Jetzt sind wir sehr nah am Ziel. Es ist sichtbar, dass das, was wir machen, Hand und Fuß hat. Unser Portfolio zeigt, wie groß das finanzielle Potenzial von Climate Tech ist.

Am Anfang dachten viele, wir überheben uns mit einem Fundziel von 350 Millionen Euro. Jetzt sind wir sehr nah an unserem Ziel.

Spannend. Wie wählt ihr denn die Investor:innen aus? 

Wir wählen diejenigen aus, die auch selbst Mehrwert bringen. Beispielsweise Mittelständler, die mögliche Kunden wären. Aber auch institutionelle Investor:innen, wie Banken, Versicherungen, Pensionskassen, die in der Lage sind, die größeren Tickets von 30 Millionen und darüber hinaus zu zeichnen. Unser Fund ist aber kein öffentliches Produkt, sondern nur für professionelle Anleger vorgesehen. 

Und welche Kriterien gibt es für die Auswahl der Start-ups? 

Im Grunde betrachten wir all das, was sich auch ein traditioneller VC anschaut: Wie groß ist der Markt? Wie ist das Team aufgestellt? Welche Vorerfahrung haben die Gründer:innen? Wie ist die Konkurrenzsituation? Warum sind sie technologisch im Vorteil? Die Risikoanalyse allein ist sehr umfangreich und wird bei uns noch ergänzt durch das CPP Assessment, in dem wir das Climate Performance Potential der Technologie evaluieren, die das Start-up verwendet, um Emissionen zu verhindern. Das ist für uns eine weitere Finanzkennzahl, die uns versichert, dass wir in junge Companies investieren, die das Potential haben zu den wertvollsten der nächsten Dekade zu werden. 

Warum sollten Start-ups, die in dem Bereich unterwegs sind, sich bei euch bewerben, wenn ihr noch ein weiteres vermeintlich nerviges Kriterium habt, das sie nachweisen müssen? 

Vielleicht sogar genau wegen dieses Kriteriums. Weil wir ihnen auch helfen zu erkennen, wo das größte Emissions-Einsparpotential ist. Viele Gründer:innen sind getrieben von Veränderung und getrieben von der Klimakrise, wenn sie versuchen die nächste Batterie oder neue Materialien für Speicher zu finden.  

Wir als Team haben unseren VC etwas anders aufgebaut als andere. Bei uns gibt es viele Wissenschaftler:innen, Chemieingenieur:innen, Maschinenbauer:innen, Chemiker:innen, Physiker:innen, Nuklearphysiker:innen, ergänzt durch Finanz-Knowhow.  

Für Gründer:innen ist der World Fund auch schlicht und einfach interessant, weil wir nun ein bereits vergleichsweise großer VC sind. Climate Tech Start-Ups entwickeln in der Regel nicht Apps oder nur Software, die vergleichsweise wenig Kapital braucht. Climate Tech Startups brauchen Labore, bauen Maschinen, Soft- und Hardware. Dafür braucht es mehr Geld für einen längeren Zeitraum. Pro Start-Up können wir in bis zu drei Folgerunden bis zu 60 Millionen Euro investieren. Das macht einen Unterschied.  

Wie berechnet man den CPP und bietet ihr dabei Unterstützung an?  

Wir bieten die Methode und helfen den CPP zu quantifizieren. Unser Mathematiker Daniel Valenzuela – unser Head of Impact – hat die Methodologie entwickelt. Wir nutzen dabei Tools für eine Top-down-Analyse und schauen uns die Technologien und deren Einsparpotential an. Im Life-Cycle-Assessment wird bottom up gegengeprüft, ob die Berechnung auch so hinkommt. Am Ende ist es eine Rule of Thumb, weil wir lediglich das Potential sehen und nicht bis zur letzten Megatonne ausrechnen können, wie hoch das Einsparpotential exakt liegt. Die TU Berlin und eine amerikanische Organisation prüfen unsere Assessments, so dass wir hier auch neutrale Stellen haben, die uns zusätzlich absichern.

Du hattest eben Kakao aus dem Labor als ein Beispiel genannt. Was ist aus deiner Perspektive aktuell die spannendste Technologie in eurem Portfolio? 

Grundsätzlich ist es immer spannend, mit Climate Tech Gründer:innen zu sprechen. Das sind unfassbar schlaue, inspirierende Menschen, getrieben vom Bedürfnis, Großes zu bauen, um zu der Transformation beizutragen, die wir brauchen, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern. 

Eines unserer letzten Investments war in IQM. Quanten Computing hört sich erstmal nicht nach einer Klimatechnologie an. Aber IQM baut Computer für Klimalösungen. Zum Beispiel arbeiten sie mit Automobilkonzernen zusammen, um Batterien für Elektroautos mit neuen Materialien zu entwickeln. Dabei ist es das Ziel, nicht über Jahre im Labor zu entwickeln und zu testen, sondern mit non-linearem Computing den Prozess zu simulieren, dadurch sprichwörtlich Quantensprünge zu machen und schneller auf neue Produkte zu kommen.  

Es begeistert mich, wenn Menschen viele Möglichkeiten haben, in welche Richtung sie ihre Technologien entwickeln könnten und dann diejenige nutzen, die es nicht nur in der Kasse klingeln lässt, sondern auch dem Klima dient. 

Gerade Batterien und Elektromotoren bieten ja noch viel Potential – da können wir alle nur profitieren. Nochmal zu Ecosia, was verbindet euch?

Ecosia ist die erste Investorin des World Funds. Sie haben uns besonders in der Anfangszeit immer geholfen und unterstützt.  

Uns verbindet nicht nur eine langjährige Freundschaft, sondern wir teilen die Überzeugung, dass wir eine regenerative Welt schaffen müssen. Was uns eint ist Vieles, aber am meisten, dass wir schnell und groß handeln müssen, und dass wir das auch hinbekommen können. Die Ecosia Gründer haben sich selbst enteignet, um das Unternehmen zu einer Purpose Company zu machen. Das Unternehmen gehört jetzt einer Purpose Stiftung, so dass sie sich selbst keine Dividenden auszahlen oder ihre Anteile für Millionen verkaufen können. 

Wir sind voll von enormer Dankbarkeit und Bewunderung für Ecosia und deren Vision.

Die Vision finde ich auch extrem spannend: Nachhaltigkeit allein rettet uns nicht. Unsere Zukunft hängt von Regeneration ab. Wir müssen weg von Klimaneutralität hin zu Regeneration. Was tut denn Ecosia für Regeneration? 

Unfassbar viel – zum Beispiel durch das Aufforsten von Wäldern mit hoher Biodiversität. Emissionen einsparen ist eine wichtige Sache. Wir haben vergessen, dass die Erde ein riesiger CO2 Speicher ist, haben Wälder abgeholzt und dadurch CO2 freigesetzt. In der Landwirtschaft haben wir durch Pflügen und Düngemittel dem Boden als wichtigem Kohlenstoffspeicher geschadet und die Erderwärmung befeuert. Wir können das Speicherpotential von Böden durch Wald und regenerative Landwirtschaft zurückholen und nutzen.  

Übrigens: Ecosia verkauft keine CO2-Zertifikate. Hier werden keine Bäume gepflanzt, um das eigene Gewissen freizukaufen. Der Zertifikatehandel erleichtert zwar das Gewissen von Unternehmen, hat aber in 90% der Fälle sogar negative Folgen, weil er echte Emissionsreduzierung verhindert. Das Belegen zahlreiche Studien. Zudem ist viel Wald, der zertifiziert wurde, um irgendwo anders Emissionen zu erlauben, inzwischen abgebrannt. Nicht selten kaufen Unternehmen Zertifikate, haben dadurch ein vermeintlich klimaneutrales Produkt, um dann an anderer Stelle noch mehr CO2 zu investieren. Das sind eindeutig Fehlanreize.  

Da sprichst du mir aus der Seele. Schön, dass ihr mit so gutem Beispiel voran geht. Wie schaffen wir es, dass sich dieses gute Vorbild auf andere überträgt?

Durch Kommunikation – von Ecosia, World Fund und unseren Portfolio-Unternehmen erzählen. Wir sind die ersten Schritte gegangen und jetzt geht es darum, das Geld richtig zu investieren. Erst in der nächsten Dekade wissen wir, ob wir das Geld wirklich smart angelegt haben. 

Wenn du deinen Werten treu bist, dann wirst du inspirieren, selbsterfüllter sein, die besten Talente anziehen. Bei uns gelingt das: Zu uns kommen die besten Talente, die auch andere top VCs gerne hätten.

Das hört sich alles so einfach an. Warum machen es nicht alle anderen genauso. Welche Hürden gibt es auf dem Weg zum regenerativen Unternehmen? 

Das größte Problem ist die Einstellung „Wir machen das ja schon immer so.“ Veränderung bedeutet erstmal Anstrengung. Häufig braucht es einen Erweckungsmoment. Für mich persönlich war das Fridays for Future. Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei den Grünen, dennoch habe ich mich erst 2018 richtig tief mit der Klimakrise beschäftigt. Das hat mir die Augen geöffnet und mich nicht mehr losgelassen.  

Ich möchte alle ermutigen, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung bietet gutes Material und Stefan Rahmstorf hat zum Beispiel ein halbstündiges Video auf verschiedenen Videoplattformen veröffentlicht. Hier kann jede:r einfach reinschauen und sich selbst davon überzeugen, wie ernst die Lage ist, aber auch sehen, dass es Lösungen gibt, die wir schnell realisieren müssen. 

Gab es denn bei World Fund auch Hürden auf dem Weg?  

Am Anfang gab es unbeschreibliche Hürden, kein Gehalt und Co. Erst irgendwann kamen dann die ersten kleinen Erfolge. Es ist ein Prozess. Selbst für Ecosia war der Weg zur Purpose Company ein schwerer Prozess. Ecosia lobbyiert seitdem dafür, dass wir in Deutschland Gesellschaften in Verantwortungseigentum gründen dürfen. Noch geht das nicht. Ecosia hat das über eine Schweizer Purpose Stiftung gelöst. 

Stellen wir uns vor, es ist 2030 – wo siehst du euch und was ist passiert? 

Im Jahr 2030 werden alle Investor:innen verstanden haben, dass Impact und Profit zusammengehören. Bereits während der vergangenen zwei Jahre haben wir Investor:innen zum Umdenken bewegt.  

2030, hoffe ich, werden wir Unternehmen an die Börse gebracht haben, den Fleischkonsum stark reduziert, fossile Brennstoffe fast vollständig abgeschafft und auf Erneuerbare Energien umgestiegen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Andere durch uns inspiriert würden, so dass viele weitere World Funds wie Pilze aus dem Boden sprießen. Und dann wirst Du 2030 hoffentlich gefragt: „Wie, Du investierst, ohne Impact mitzudenken? Wie geht das überhaupt?“ Das, was heute noch außergewöhnlich ist, ist 2030 normal und investieren ohne Impact wird hinterfragt.

Im Jahr 2030 werden alle Investor:innen verstanden haben, dass Impact und Profit zusammengehören.

Das ist ein Zukunftsbild, das mich hoffnungsvoll stimmt. Ich will daran glauben und großartig, dass ihr so einen wichtigen Beitrag dazu leistet.

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