Veränderung ist gekommen, um zu bleiben
Vielen Entscheider:innen fällt es aktuell schwer, Investitionen in Innovationen zu tätigen. In Zeiten komplexer, multipler Krisen wird der Gürtel enger geschnallt, sich auf das Kerngeschäft fokussiert und Risiken werden weiter minimiert. Dabei ist das eigentliche Risiko die Hoffnung auf baldige Stabilität. Sicher, die Wirtschaft wird sich hoffentlich in absehbarer Zeit erholen, doch Unsicherheit und Veränderungsdruck bleiben bestehen. Zu komplex und gravierend sind die Herausforderungen, auf die unsere Gesellschaft Antworten finden muss. Unternehmen als Treiber und Katalysators des Wandels kommt hier eine entscheidende Rolle zu: sie müssen mit Innovationen einen Weg aus der Krise aufzeigen. Deren Aussitzen ist keine Option. In diesem Zuge rückt das Innovationsmanagement ins Zentrum, denn es ist maßgeblich für die erfolgreiche Anpassung und Erneuerung von Organisationen verantwortlich. Doch in unruhigen Gewässern muss sich auch diese Disziplin selbst erneuern: sie muss agiler, professioneller und ganzheitlicher gedacht werden. Mit welchen Ansätzen und Strategien sie in dieser neuen Realität handlungsfähig bleiben, erfahren Sie hier.
Zukunft beginnt mit Handeln
In Zeiten des Umbruchs geraten Märkte in Bewegung, Lieferketten werden neu bewertet und Kund:innenbedürfnisse ändern sich. Unter Umständen kommen sogar neue Wettbewerber auf oder rechtliche Reformen verändern die eigenen Handlungsspielräume. Gezielte Innovationen helfen, auf einem sich schnell verändernden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. So lassen sich mit Investitionen in neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten neue Umsätze erschließen und Kunden gewinnen. Selbst größere Initiativen können strategisch wichtig sein, wenn sie Unternehmen antizyklisch in eine optimale Ausgangssituation bringen: für den Zeitpunkt, wenn sich die Märkte erholen. Während Wettbewerber anfangen, sich auf die neue Realität einzustellen, haben vorausschauende Unternehmen bereits neue Angebote parat.
Sieben Strategiefelder für relevante Innovationen in unbeständigen Zeiten
Nicht nur der Markt, sondern der Fokus von Innovation ändert sich in Zeiten des Umbruchs. Die Säule der explorativen, inspirierenden Innovationen wird zusehends heruntergefahren und die Zeichen stehen deutlicher auf Optimierung und Impact. Was können Unternehmen also nun angehen, um mit den begrenzten Ressourcen die größtmögliche Wirkung zu erzeugen? Vielversprechend ist zunächst, die bisherige Innovationsstrategie auf den Prüfstand zu stellen, Prioritäten und Ziele zu re-evaluieren und mit dem geschärften Blick die verbliebenen Ressourcen intelligent zu investieren. Die folgenden sieben Strategiefelder haben sich aus unserer Erfahrung als erfolgreiche Wege bewiesen.
1. Innovationsportfolios aktiv steuern
Krisen zwingen zur stärkeren Fokussierung. Wer jetzt noch nicht Innovations- und Unternehmensstrategie eng verzahnt hat, läuft Gefahr die Orientierung zu verlieren und Innovationen dem Zufall zu überlassen. Innovation muss wie HR, IT oder Controlling als eine der Kernfunktionen von Unternehmen verstanden, integriert und finanziert werden, sonst bleiben Innovationsaktivitäten immer „On top“ oder ein „Nice-to-have“ und können im Zweifelsfall gestrichen werden. Jedes neue Innovationsprojekt sollte strategisch relevant sein und einen belegbaren Mehrwert liefern. Die Zeiten, in denen sich Corporate Labs frei austoben konnten, sind zum Glück längst vorbei. Die aktuellen Krisen beschleunigen die bereits seit einigen Jahren voranschreitende Professionalisierung und Standardisierung des Innovationsmanagements noch weiter, wie man bspw. an der Entwicklung der ISO 56000-Serie sehen kann. Klare, transparente Innovation KPIs sind nur eine Seite der Medaille. Die Einführung eines schlanken Innovations-Portfoliomanagements und Innovation Accountings werden ebenso wichtig. So lässt sich im Blick behalten, was wirklich wichtig ist und Mehrwerte schafft. Wie immer gilt es bei neuen Prozessen das richtige Maß an Steuerung und Freiheitsgraden zu finden.
2. Mit bestehenden Ressourcen auf Sicht fahren
Umbrüche sind Zeiten hoher Ungewissheit und erschweren verlässliche Prognosen. Um trotz unklarer Zukunftsoptionen handlungsfähig zu bleiben, sollte die verfügbaren Ressourcen nicht auf wenige, vordefinierte Ziele allokiert werden. Aus der Entrepreneurship-Forschung wissen wir, dass erfolgreiche Serien-Gründer:innen gerade unter Unsicherheit mit dem Effectuation-Ansatz arbeiten: sie schauen, was sie mit ihren verfügbaren Mitteln erreichen können. Diese Haltung dreht die klassische Management-Logik um, welche Ziele festlegt und zu dessen Erreichung Ressourcen bereitstellt. Statt zu fragen „Was sollte ich tun?“ fragen sich Gründer:innen „Was kann ich tun?“. Nur das, was direkt beeinflussbar ist, steht im Zentrum des eigenen Handelns. Weitere Prinzipien dieser Entscheidungslogik sind bspw. der leistbare Verlust, also nur das zu machen, was ich im Notfall verschmerzen kann, neue Partnerschaften und das agile Ausnutzen von Zufällen und Chancen. Mit diesem radikalen Perspektivwechsel verändert sich die Aufgabe und Rolle des (Innovations-)Managements: es gilt nicht mehr zu steuern, was gar nicht mehr prognostizierbar ist. Unsicherheit wird mit dem Effectuation-Ansatz zum Vorteil, denn es legt das Augenmerk auf aktiv gestaltbare Entwicklungsräume.
3. Unsicherheiten frühzeitig minimieren
Eines der am häufigsten genannten Argumente gegen Innovationen in Krisenzeiten ist das mutmaßliche Risiko solcher Investitionen. Doch meist handelt es sich hierbei fälschlicherweise nicht um Risiko, sondern Unsicherheit oder Ungewissheit. Während beim Risiko alle Szenarien und Wahrscheinlichkeiten bekannt sind, sind beim letzteren potenzielle Ereignisse, Effekte und Konsequenzen unbekannt. Ob eine Idee an volatilen Märkten funktioniert, lässt sich fast nicht vorhersagen. Statt komplexe Businesspläne zu schreiben und vielfältige Szenarien durchzuspielen hilft es, viele kleine, kundenzentrierte Experimente durchzuführen. Sie können schnell dabei helfen, Sicherheit zu schaffen. Das Arbeiten mit Hypothesen-Backlogs und agilen Methoden schafft frühzeitig im Prozess Evidenz, wo vorher Unsicherheit herrschte. Mit nutzerzentrierten Teststrategien und frühen Prototypen lässt sich viel Geld und Zeit sparen – bei gleichzeitiger Festigung des Problem-Solution-Fits. Auch Ansätze wie agile Stage Gates und Projekt-Risikoklassen richten die Aufmerksamkeit auf kritische Pfade, ohne ins Micromanagement zu verfallen und neue Verwaltungsstrukturen aufzubauen. So wird schnell Unsicherheit minimiert, ohne Innovationen ausbremsen zu müssen.
4. Digitale Exzellenz forcieren
Viele Innovationseinheiten fokussieren sich in der aktuellen Lage auf die Optimierung des Kerngeschäfts. Investitionen in digitale Innovationen helfen, intern die Effizienz zu steigern und somit Kosten zu senken. Durch die Einführung neuer Technologien können Unternehmen ihre Arbeitsabläufe optimieren oder sogar automatisieren und damit ihre Profitabilität erhöhen. Gleichzeitig wird dem Fachkräftemangel begegnet und wichtige Grundlagen für digitale Geschäftsmodelle werden geschaffen. Der IT-Abteilung kommt hier eine besondere Stellung zu: sie wandelt sich vom internen Infrastruktur-Dienstleister hin zum wichtigsten Enabler für digitale Innovationen. Der Blick nach innen und die damit verbundene Erneuerung der eigenen Organisation lohnt sich nicht nur, aber besonders in Krisenzeiten. So reduzieren agile, schlanke Prozess den internen Overhead und machen gleichzeitig das Unternehmen durch kürzere Produktentwicklungszyklen beweglicher am Markt. Alles Vorteile, die nicht nur in schwierigen Zeiten relevant sind.
5. Mitarbeitende aktiv einbinden
Bekannt und etabliert ist, dass sich durch das aktive, strukturierte Einsammeln von Mitarbeiterideen sich viele Quick-Wins identifizieren lassen, die in ihrer Summe eine große Wirkung entfalten können. Ideenmanagement und Intrapreneurship-Programme erneuern die Organisation aus dem inneren heraus, meist sogar mit vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen. Wichtig ist, diesen Prozess zu steuern sowie Erwartungen zu managen. Bspw. helfen Innovation Challenges oder gerichtete Fragenstellungen an die Belegschaft, wie z.B. „Was würde dir 5 Minuten Arbeit jeden Tag sparen?“ beim Fokussieren der Verbesserungsvorschläge. Darüber hinaus gilt es die richtigen Rahmenbedingungen für die schnelle Ideen-Implementierung zu schaffen. Der Fokus sollte darauf liegen, interne Umsetzungsbarrieren pragmatisch aus dem Weg zu räumen und Innovator:innen auf ihrem Weg zu unterstützen.
6. Systemische Chancen erkennen
Ein starkes Innovation Ökosystem hilft insbesondere in schwierigen Zeiten. So lässt sich die Last der Umsetzung auf mehrere Schultern verteilen, gemeinsam Lösungen erdenken und die Wahrscheinlichkeit der Adaption im Markt erhöhen. Das eigene, externe Ökosystem aus Zuliefer:innen, Partner:innen, Forschung, Kund:innen oder sogar Wettbewerber:innen ist eine wichtige Ressource, wenn es um gegenseitige Unterstützung geht. Open Innovation und Ko-Kreation sind nur einige der Ansätze, die breit erprobt und erfolgsversprechend sind. Die Kunst liegt hier in der konkreten Ausgestaltung der Win-Win Situation für alle Akteur:innen, einer intelligenten Informationspolitik und der langfristigen Ausgestaltung der eigenen Rolle in diesem System.
7. Nachhaltige Innovationen anstoßen
Nachhaltigkeit fördert bewiesenermaßen die Resilienz von Unternehmen, macht es also weniger anfällig für Erschütterungen des Marktes. Das Ergebnis: stabilere Partnerschaften, geringere externe Abhängigkeiten durch bspw. Circular Economy-Geschäftsmodelle und eine loyalere Kund:innenbasis. Eigenschaften, die nicht nur Investor:innen attraktiv finden, sondern zusehends auch Mitarbeitende, potenzielle Bewerber:innen und Kund:innen. Diverse Studien legen mittlerweile nahe, dass Unternehmen mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie besser durch Krisen kommen als konventionell agierende Wettbewerber:innen. Es lohnt daher, Innovationen für nachhaltige Praktiken und Produkte voranzutreiben.
Doch auf dem Weg zum nachhaltigen Unternehmen gilt es vielfältige Spannungen und Interessenkonflikte auszubalancieren. Unser aktuelles Whitepaper liefert in diesem Zusammenhang wertvolle Impulse. Es zeigt unter anderem auf, dass nicht zwischen Profitabilität oder Nachhaltigkeit abgewägt werden muss. Ein Ansatz ist, dem Thema Nachhaltigkeit die notwendige Relevanz in Entscheidungsprozessen zu geben. Für einen unserer Kunden ist Nachhaltigkeit beispielsweise der erste Filter bei der Auswahl an Innovationsprojekten: Ist eine Idee nicht nachhaltig, wird sie nicht weiterverfolgt – auch wenn andere Kriterien wie bspw. Desirability erfüllt sind. So wird Komplexität reduziert und Priorisierungen im Innovationsportfolio fallen leichter.
Die Investition in Innovation in Zeiten von Krisen und Rezession ist keine leichte Entscheidung. Es gilt sorgfältig abzuwägen, was notwendig ist und was vielleicht nur Leuchtturmprojekte sind. Auf lange Sicht lohnt sich die Investition in ein professionelles Innovations-Setup, dass Chancen erkennt, agil Unsicherheiten managed, interne und externe Partner:innen einbindet und Kund:innen-, Profit- und Umweltinteressen vereint. Innovation hilft gerade unter dynamischen Marktbedingungen erfolgreich zu bleiben, das Unternehmen widerstandsfähiger und attraktiver zu machen sowie Wettbewerbsvorteile langfristig zu sichern.
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