Ob Sneaker aus aufbereitetem Plastikmüll, Suchmaschinen, durch deren Nutzung Bäume gepflanzt werden, oder CO2-negatives Baumaterial – immer mehr Unternehmen entwickeln Lösungen, mit denen sie einen positive Wirkung auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft haben. Sie beschreiten oft neue Wege und setzen auf innovative Geschäftsmodelle. In unseren Projekten stehen wir häufig vor der Herausforderung, welches der vielen nachhaltigen Geschäftsmodelle in den entsprechenden Unternehmenskontext passt. Lesen Sie außerdem, wie man nachhaltige Geschäftsmodelle gestalten kann.
Dabei helfen uns acht Archetypen (Typ 1-8), die bereits 2014 von einer Forscher*innengruppe rund um Nancy Bocken von der Universität Maastricht veröffentlicht wurden. Wir haben sie in verschiedenen Branchenkontexten erfolgreich verprobt und an die Herausforderungen unserer Kund*innen angepasst. Wir stellen diese Archetypen innerhalb ihrer Makro-Dimensionen kurz vor.
Technologische Dimension
Die Reduzierer*innen (Typ 1) versuchen mit geringen Ressourcen auszukommen und Abfall, schädliche Emissionen und Verschmutzungen zu verringern. Sie setzen auf Lean Manufacturing und lassen Gedanken der Umwelteffizienz in ihre Produkt- und Prozessdesigns einfließen. Sie tragen durchaus zur Verringerung der Ressourcenverbrauchs bei, doch bewegen sich mit ihren Ansätzen innerhalb des gängigen Wirtschaftssystems. Ein berühmtes Beispiel ist das Lean Produktionssystem von Toyota, dessen Grundzüge der höchstmöglichen Produktivität und Just-in-time Produktion bereits 1937 durch den damaligen Vorsitzenden Toyoda Kiichiro ins Leben gerufen wurden.
Die Abfallverwerter*innen (Typ 2) generieren Wertschöpfung aus Abfall, tragen zu geschlossenen Produktionszyklen bei und helfen so Ressourcen zu schonen. Ein bekanntes Beispiel ist das Konzept Cradle-to-Cradle („Von der Wiege zur Wiege“), welches auf komplette Kreisläufe ohne Müll setzt. Europäischer Pionier dieses Kreislauf-Prinzips ist der Reinigungsmittelhersteller Frosch. Das Unternehmen versucht seine Produkte von vorneherein so zu gestalten, dass ihre Materialien sich entweder für eine gefahrlose und vollständige Rückkehr in die Biosphäre eignen oder qualitativ hochwertig wiedergewonnen werden können.
Die Substituierer*innen (Typ 3) ersetzen bestehende (nicht nachhaltige) Materialien und Abläufe durch erneuerbare Ressourcen oder Prozesse. Beispiele sind Solarzellen oder Windräder, die den Strom der Produktionshallen speisen oder der Ersatz von giftigen Chemikalien durch ökologische Alternativen. Zu diesem Archetyp zählen auch Blue Economy- oder Biomimicry-Ansätze wie beispielsweise Sto Lotusan, eine Fassadenfarbe des Herstellers Sto mit Lotus-Effekt. Nachempfunden aus de Fähigkeiten der Lotusblüten und Blätter, vermeidet dieser das eindringen von Nässe und stellt somit einen hochwirksamen Witterungsschutz auf natürliche Basis dar.
Soziale Dimension
Die Funktionalen (Typ 4) bieten Dienstleistungen anstelle von Produkten im Sinne der Shared Economy. Es wird die Funktionalität auf Basis von Zahlung-pro-Nutzung verkauft wie bei Car- oder Bike Sharing Anbietern (z.B., WeShare, DriveNow, Lidl Bike). Alternativ werden materielle Dinge, wie beispielsweise Wohnungen, Bohrmaschinen, etc. entweder kostenlos oder gegen eine Gebühr zwischen den Mitgliedern einer bestimmten Community getauscht (z.B. Kleiderkreisel). Im Idealfall werden Verhaltensmuster verändert (Nutzen nach Bedarf anstelle von Besitz) und Hersteller*innen haben Interesse an hoher Qualität und langer Lebensdauer der verliehenen Güter. Allerdings zeigt die Anwendungspraxis, dass diese Service-Modelle häufig nicht öko-effizienter sind (z.B. erhöhtes Verkehrsaufkommen durch Car-Sharing in Städten).
Die Informierer*innen (Typ 5) bieten Verbraucher*innen die nötigen Informationen und Angebote, um für sich gesündere Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig der Umwelt zu helfen. Meist zahlen Kunden freiwillig einen höheren Preis, weil für sie Nachhaltigkeit ebenfalls einen Wert darstellt. Bei diesem Geschäftsmodelltypus spielen Zertifikate zur Bestätigung der Nachhaltigkeit (z.B. Bio-Gütesiegel, FSC Zertifikat) eine wichtige Rolle. Beispielsweise vertreibt Follow Food Produkte über den EU-Bio Standard hinaus, fördert ökologische Landwirtschaft, setzt sich gegen Wildfischfang ein und informiert Kund*innen mit hilfe eines Trackers über Herkunft, Anbau, Fang und Verarbeitung seiner Lebensmittel.
Die Genügsamen (Typ 6) tragen dazu bei, dass insgesamt weniger produziert und konsumiert wird. Z.B. Second-Hand Waren-Anbieter*innen, die nicht nur die Nachfrage nach Neuwaren reduzieren, sondern auch die Eigentümer*innen dazu ermutigen, sorgsam mit ihren Produkten umzugehen. Berühmtes Beispiel ist die Outdoor-Marke Patagonia, die Nachhaltigkeit zum Geschäftsmodell in der Textilindustrie gemacht hat. Sie reparieren ihre Kleidungsstücke, bieten einen Second Hand Markt und führen kaputte Kleidung der Wiederverarbeitung zu. Zu den Genügsamen gehören auch Unternehmen, die Firmen dabei unterstützen, Energie zu sparen – und einen Teil der eingesparten Kosten als Honorar erhalten.
Organisatorische Dimension
Die Sozialunternehmer*innen (Typ 7) stellen explizit den gesellschaftlichen Nutzen in den Vordergrund. Sie erwirtschaften zwar Profit, aber der Kern des Geschäftsmodelles liegt in der Erfüllung der sozialen Mission. Auch Non-Profits ohne Gewinnziel gehören in diese Kategorie. Ein Beispiel ist die Organisation „Viva con agua“. Sie hat sich die Verbesserung der Wasserversorgung und der sanitären Verhältnisse in Entwicklungsländern zum Ziel gesetzt und unterstützt entsprechende Projekte finanziell. Die Mittel dazu kommen auch aus den Erträgen von zwei Firmen: Die eine verkauft unter dem Label „Viva con agua“ Mineralwasser. Die andere heißt „Goldeimer“, vermietet ökologische Sanitäranlagen für Musikfestivals und vertreibt ein eigenes Recycling-Toilettenpapier.
Die Skalierer*innen (Typ 8) versuchen das Nachhaltigkeitskonzept eines kleinen Unternehmens an viele, weitere kleine Unternehmen zu verbreiten. Hierfür nutzen sie Franchise-, Lizensierungs, oder Open Source-Konzepte, die die schnelle Replikation von etabliertem Wissen in unterschiedlichen Regionen ermöglichen. Die Plattform patient-innovation.com bietet beispielsweise ein Open Source Forum für Patient*innen und Betreuer*innen mit nützlichen Tipps und innovativen Hilfestellungen zu spezifischen Krankheitsbildern.
Das differenzierte Wissen um nachhaltige Geschäftsmodelle nützt uns in vielerlei Hinsicht:
- Wir verstehen, welche Modelle für welchen Kontext passend sind (z.B. Fokus eher auf ökologische oder soziale Anforderungen).
- Wir analysieren vorhandene Geschäftsmodelle, indem wir Hypothesen bezüglich der Nachhaltigkeitswirkung formulieren und vertesten.
- Wir entwickeln neue Geschäftsideen und schärfen somit die Ansprüche eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens.
- Wir übertragen die Erkenntnisse, so beispielsweise von Nachhaltigskeitsvorreitern, auf traditionelle Geschäftsmodelle.
Wenn Sie sich für nachhaltige Geschäftsmodelle interessieren, kann diese Sammlung von Archetypen als erste Inspiration dienen.
Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf und wir erzählen mehr darüber, wie wir als Business Designer*innen bei zero360 nachhaltige Unternehmungen gestalten.
Verfasst von:
Dr. Nadja Berseck