Die Corona Lockerungen und die erhöhte Impfquote machen es möglich. Mitarbeiter:innen trauen sich wieder in die Büros. Andere hoffen, dass sie noch möglichst lang vom Home-Office profitieren können. Und so entsteht aus Remote Work eine neue Art: hybrides Arbeiten. Aber ist das nur eine Übergangsphase, oder die neue Realität? Und welche Überlegungen sollten Organisationen nun treffen, um sich und ihre Teams in der nächsten Zeit bestmöglich aufzustellen?
Vor rund 1,5 Jahren hat sich die Art, wie wir arbeiten dramatisch verändert.
Nicht selten sahen sich Führungskräfte gezwungen, ihre Prinzipien über Bord zu werfen, haben neue Kontrollmechanismen gefunden und eine erzwungene, weil alternativlose, Vertrauenskultur geschaffen. Von heute auf morgen hat sich nicht nur geändert wo, sondern auch wie wir arbeiten. So hat die Pandemie Fakten geschaffen. Und schließlich eine neue Normalität. Wir arbeiten remote. Und das heißt nicht nur digitaler, sondern auch selbstbestimmter und im Einklang mit unserem Privatleben. Für einige Mitarbeitender:innen Fluch, für andere Segen und für die meisten beides zugleich, hat diese neue Art zu Arbeiten auch Skeptikern gezeigt, wie erfolgreich mehr Vertrauen und Selbstbestimmung im Job sein kann.
Back to Normal oder New Normal?
Lange war unklar, wie es weitergehen soll. So hat unsere Umfrage unter 150 Führungskräften und Mitarbeitenden gezeigt, dass nach Corona 27% zurück ins Büro und 28% weiterhin remote arbeiten wollen. Gespräche über Für und Wider waren bisher eher Phantom-Diskussionen, die aufgrund der unsicheren Lage keine realen Konsequenzen hatten. Jetzt, wo die Corona-Lockerungen es zulassen, müssen sich Organisationen ernsthaft damit beschäftigen, wie sie ihre Arbeitswelt Post-Covid gestalten. Aber die Meinungen bleiben gespalten. Da wo viele ein grundsätzliches Umdenken der Arbeitswelt fordern und das neue Zeitalter von hybrid Work einläuten, sehnen sich nicht wenige Führungskräfte und Mitarbeitende zurück zu Abläufen aus der Zeit vor Corona. So ist aktuell die drängendste Frage für viele Führungskräfte, wie sie ihre Mitarbeitenden wieder zurück in die Büroräume locken können. Back to normal ist hier die oberste Devise. Organisationen versuchen Kontrolle zurückzugewinnen, indem sie Mitarbeitende in Schichten aufteilen, Belegungspläne entwickeln und Office-Tage festlegen. Aber kann es ein Back to Normal geben? Und ist es überhaupt sinnvoll?
Die entscheidende Frage, die sich jede Organisation stellen muss, ist viel mehr: War Corona eine Übergangsphase, um wieder zurückzugehen? Oder ein Accelerator, der eine völlig neue Arbeitswelt geschaffen hat? Eine, die viel besser geeignet ist, auf die gegenwärtigen und auch zukünftigen Anforderungen der Märkte zu reagieren – und gleichzeitig auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingeht?
Kann es einen Weg zurück überhaupt geben?
Eines steht fest – in den letzten Monaten ist viel passiert. Einstellungen und Werte der Menschen haben sich geändert. Themen wie Flexibilität, mentale Gesundheit, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit sind wichtiger geworden. Gelernte Routinen und Entscheidungen werden hinterfragt. So sehen sich Organisationen nun Mitarbeitenden gegenüber, die in einer anderen Situation sind als vor der Pandemie. Nicht jeder will die gewonnene Freiheit zurückgeben, denn sie ist zum elementaren Bestandteil ihrer Zufriedenheit geworden. Andere sehnen sich nach mehr Struktur und zurück in eine Welt, die einfacher erschien.
Fest steht, egal wie sich Unternehmen entscheiden nun vorzugehen, es wird komplizierter als vorher. Die Haltung vieler Menschen hat sich so verändert, dass der Weg zurück nicht mehr für jeden erstrebenswert ist. So ist es einleuchtend, das hybrid Work Modelle aktuell so intensiv diskutiert werden. Für Führungskräfte gibt es hierbei aber wieder viel zu lernen und neu zu bewerten.
Wann, zu welchen Anlässen trifft sich ein Team im Office? Wann reichen remote-Formate aus? Wie funktionieren Meetings am besten? Wie behalten alle den selben Wissensstand? Wie schafft man trotzdem eine Identifikation und eine erlebbare Unternehmens- und Teamkultur? Wie nimmt man den remote Arbeitenden die Angst des nicht-gesehen-Werdens? Wie kreiert man ein Umfeld, das Kreativität und Innovation fördert? Und welche Tools sind dafür sinnvoll?
Wir haben fünf Tipps zusammengetragen, die den Start in hybrid Work für Führungskräfte einfacher machen.
Unsicherheit annehmen
Auch wenn viele Führungskräfte hoffen, zügig in einen standardisierten und festgelegten Arbeitsmodus zurückzukehren, müssen hybride Arbeitsmodelle getestet werden. Nur so kann ein Modell gefunden werden, das am besten und langfristigsten für das Unternehmen und die Mitarbeitenden funktioniert. Die aktuelle Situation ist eine „once in a lifetime opportunity“, um gemeinsam mit den Mitarbeitenden etwas wirklich Neues zu entwickeln. Und so ist es einfacher, sich von dem Gedanken an einen schnellstmöglich fertigen Endzustand zu verabschieden und die nächste Phase als Experiment zu sehen, in dem das, was wir aus der Pandemie gelernt haben, weiter iteriert wird, um eine resilientere Organisation aufzubauen.
Mit dieser Unsicherheit umzugehen, sie als Konstante zu verstehen, erfordert eine neue Haltung, ständiges Ausprobieren und Weiterentwickeln. Es reicht aber nicht, sich nur flexibel anzupassen, oder sich agil permanent weiterzuentwickeln. Vielmehr müssen Organisationen prädaptiv mögliche Zukunftsszenarien kennen und mit diesen weiterarbeiten.
Empathie bewahren
Unterschiedliche Persönlichkeiten haben unterschiedliche Herausforderungen mit hybrider Arbeit. Einige brauchen mehr Struktur, und können sich selbst nur schwer fokussieren. Andere empfinden eine im falschen Moment platzierte Nachfrage als Kontrolle und mangelndes Vertrauen. So ist der Gemütszustand vieler Mitarbeiter:innen gespalten. Um den nächsten Schritt in der Zusammenarbeit machen zu können, ist es also wichtig zu verstehen, in welcher Situation sich die Teams und ihre Mitglieder aktuell befinden, welchen Job und Auftrag sie zu erledigen haben und dafür Verständnis zu entwickeln. Diese Einblicke bekommt man nicht immer durch Mitarbeiterbefragungen, sondern durch qualitative, ehrliche Gespräche in einem vertrauensvollen Umfeld.
Wir befinden uns in einer Phase der Neuorientierung. So ist in China beispielsweise eine „Lying Flat“-Bewegung entstanden, die sich gegen den Druck im Berufsleben stellt. Reagiert hat darauf beispielsweise Nike mit der Mental Health Week, mit der sich das Unternehmen bewusst entschlossen hat, den Mitarbeitenden vor dem Einstieg in die nächste Phase eine Auszeit zu gönnen.
Identifikation fördern
Es gibt diese „Corporate Legend“, dass aktuell Kündigungen steigen, weil das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden durch Remote Work abgenommen hat. Aber: Identifikation ist nicht an Büroräume gekoppelt. Eine Kultur, die auf alle gleichermaßen wirkt, war schon immer eine Illusion. Kultur ist Erlebnis, ist Perspektive, ist individuell. Jetzt haben wir die Chance, ein neues, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausgerichtetes Miteinander zu etablieren. Wir müssen die Frage beantworten, wie wir Identifikation auch in einer hybriden Arbeitswelt schaffen und aufrechterhalten. Wie können Beziehungen in einem Mix aus offline und online Formaten gepflegt werden?
Beispielsweise können informelle Events und der Austausch untereinander als Teil der neuen Arbeitswelt integriert werden. Und nicht als Beschäftigung, die nur nach dem Feierabend stattfindet.
Gemeinsame Haltung finden
Um eines vorwegzunehmen: Es gibt nicht für alle Unternehmen das eine hybrid Working Modell. Je nach Aufgabe, Rolle und dem jeweiligen Kontext muss es auch unterschiedliche Arbeitsmodelle innerhalb von einzelnen Unternehmen geben. Der Austausch mit anderen Führungskräften ist daher wichtig, um voneinander zu lernen, was funktioniert und was nicht.
Und um eine gemeinsame Haltung zu entwickeln, die trotz aller unterschiedlicher Herangehensweisen einen übergreifenden Rahmen schafft und hilft, sich weiterhin auf ein gemeinsames Ziel hinzubewegen.
Infrastruktur schaffen
Hybride Arbeiten – genau wie Remote Work – braucht gute digitale Tools, technische Ausstattung und klar kommunizierte Regeln, um diesen hybriden Mix zu organisieren. Genauso wichtig sind aber Räume, die für die Situationen ausgestattet sind, die in den Büros tatsächlich stattfinden. Viele Organisationen mieten aktuell Räumlichkeiten ab und verkleinern sich.
Was es aber eigentlich braucht, ist ein Umdenken nicht nur von Arbeitsprozessen, sondern auch vom Office, das mehr zu einem Begegnungsort wird. Büroräume brauchen weniger Platz für Still-Arbeiten, und viel mehr Möglichkeiten für Meetings, ko-Kreative Sessions, persönliche Gespräche und Rückzugsmöglichkeiten für Calls. Wir brauchen in Zukunft Räume, die genauso agil sind, wie wir arbeiten!
Was können wir also festhalten? Egal, welche Ausgangssituation Unternehmen haben – alles bleibt anders. Ein Zurück zum alten Normal suggeriert zunächst Sicherheit, doch genau die werden wir dort langfristig nicht finden. Unsere alten Arbeitsweisen hatten eine Renovierung dringend nötig. Durch Corona haben sich Unternehmen ganz anders aufgestellt. Haben ihre Geschäftsmodelle flexibilisiert, ihre Lieferketten angepasst, neue digitale Vertriebskanäle aufgebaut und auch die Art der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens weiterentwickelt. Wir haben insgesamt viel gelernt und sind agiler geworden. Genau das ist es, was wir in Zukunft weiterhin brauchen, um als Organisation in dieser VUCA-Welt zu überleben.
Verfasst von:
Désirée Seibel