Rufen wir uns einmal vor Augen, was in der Zeit von Anfang 2022 bis Ende 2023 alles passiert ist. Im Winter 2022 sprachen alle von der Energiekrise und einem möglichen Blackout. Plötzlich brach Krieg in der Ukraine aus – und wütet mittlerweile schon seit 1,5 Jahren. Ende 2022 haben Large Language Models eine neue Art zu arbeiten eingeleitet. Bis Februar 2023 haben wir im Langstrecken Zugverkehr Masken getragen. In 2023 brannte Europa auf einer Fläche, die vier Mal so groß war, wie in den letzten 15 Jahren. Und Ende 2023 kann ChatGPT hören, sehen und sprechen.
All diese Ereignisse, die eigentlich sehr einschneidend, besonders, schmerzhaft waren und sind, werden zu dem, was wir tagtäglich erleben. Wir lernen damit umzugehen und es wird zum Alltag.
Solche Situationen erleben wir in unterschiedlichen Dimensionen immer häufiger. Kaum dachten wir, dass sich die Lieferketten wieder beruhigen und Materialengpässe auflösen, lässt plötzlich die ganze Baubranche nach, wir geraten in eine Rezession und das ganze System wird wieder umgewirbelt.
Währenddessen sitzen wir in unseren Organisationen und wie bei einem Tsunami rollen große Herausforderungen und kleinere disruptive Einflüsse auf uns zu. Der Zeitpunkt, wann diese Welle uns trifft, ist vielleicht unterschiedlich. Aber sie wird uns treffen.
Jede:r in seiner oder ihrer Organisation versucht damit bestmöglich umzugehen und Lösungsmöglichkeiten zu finden. Und viele besinnen sich wieder auf ihren Purpose. Einen Nordstern, der zeigt, wo wir als Organisation lang gehen. Einen Zweck, der den Sinn meiner Arbeit zeigt und aufmacht, wohin es langfristig für das Unternehmen hingeht.
Gleichzeitig braucht es aber auch Steuerungsmechanismen, wie Weichen, die Flexibilität mitbringen, damit man nicht starr einem Ziel hinterherläuft, sondern die Möglichkeit hat, in die eine oder andere Richtung abzuzweigen.
So begegnen aktuell vielen dieser Welt: Mit einem Nordstern, klaren Zielen und Agilität auf dem Weg zu diesem Ziel.
Und im Grunde sind das alles hilfreiche Prinzipien. Aber es sind auch Lösungen, die eigentlich schon recht alt sind. OKRs sind beispielsweise ein Tool, das in 1954 entstand. Auch die Agilität ist ein Kind der 90er Jahre. Einer ganz anderen Zeit, mit ganz anderen Regeln und einer anderen Realität. Einer Realität, die weit weniger volatil war, wie sie es heute ist. Das alles sind durchaus gute Ansätze, die aber vielleicht nicht mehr ganz so zeitgemäß sind, um unsere aktuellen Herausforderungen anzugehen.
Im Rahmen der Arbeit an unserem Whitepaper haben wir uns gefragt, wie diese Situation Führungskräfte und Organisationen betrifft und wie sie damit umgehen. Deshalb haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, um zu erfahren, welche Hürden es gibt, wenn Organisationen ein Zielbild entwickeln. Also etwas zu finden, wohin es sich zu streben lohnt, und was zeigt, wohin sich die Arbeit konzentrieren sollte – und wohin vielleicht auch nicht.
Die größte Herausforderung bei der Erstellung von Zielbildern ist laut der Studie der „Widerstand gegen Veränderung“. Es gibt also viele Mitarbeitende, die gar nicht bereit sind, den Weg der Veränderung überhaupt zu gehen. Und das sogar schon bevor sie überhaupt angefangen haben ihn zu gehen.
Und wir sehen, dass vielen Befragten gar nicht klar ist, welchen Nutzen ein Zielbild überhaupt für ihre Arbeit hat. Sie sehen vielleicht einen neuen Purpose, griffig in einem Satz formuliert. Vielleicht gibt ihnen das eine Ambition, die sie morgens motiviert. Aber sie wissen dadurch nicht, wie sie ihre Arbeit ausrichten, ein Produkt entwickeln oder die Interaktion mit dem Kunden gestalten sollen, um diesem Zielbild gerecht zu werden.
Wir haben deshalb überlegt, wie es zustande kommt, dass der Mehrwert von Zielbildern nicht klar ist. Dass Zielbilder gar nicht genutzt werden können, oder dass Widerstand entsteht, bevor überhaupt losgelaufen wird?
Dazu haben wir Hypothesen gebaut, die wir in einer zweiten Fragestellung nochmal untersucht haben: „Welche Hindernisse gibt es bei der Arbeit mit Zielbildern?“.
36% der Entscheider:innen geben an, dass sie ein Problem mit abstrakten Botschaften haben. Sie also im Arbeitsalltag nichts mit diesem Zielbild anfangen können, weil die Inhalte einfach zu unklar sind.
Wenn wir diese Aussagen mit den Ergebnissen der ersten Frage vergleichen, dann könnte man ableiten, dass Zielbilder nicht nutzbar sind und dagegen Widerstände entstehen, weil sie nicht konkret genug sind. Zielbilder sind teilweise so abstrakt, dass die Mitarbeitenden damit nichts anfangen können und sie deshalb gar nicht erst nutzen. Mitarbeitende gehen den angestrebten Weg nicht mit, weil sie nicht wissen, wie sie die Veränderungen überhaupt betrifft, oder wie sie das Team, das Arbeitsleben und die Abläufe verändern.
Deshalb haben wir uns die Frage gestellt, ob unsere Ansätze für die Zielsetzung und Steuerung von Arbeit überhaupt ausreichen, um die globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder Ressourcenverknappung zu adressieren. Ist es genug, um die Probleme gemeinschaftlich zu lösen und reicht es aus, damit wir diesen disruptiven Einflüssen von außen genug entgegensetzen können und sie verarbeiten?
Wir glauben, dass es einen Wandel in Organisationen braucht. Dass in angestammten Arbeitsweisen für Zielsetzung und der Ausrichtung von Arbeit Potenziale bestehen. Dass wir die Möglichkeit haben als Organisation in einem größeren Rahmen mitzugestalten und durch eine Transformation zu gehen, an deren Ende wir an der Gestaltung von Gesellschaft und Umwelt teilhaben. Und Mechanismen entwickeln, die uns helfen, praktische Angewohnheiten und Arbeitsweisen zu implementieren, um die disruptiven Faktoren in Richtung einer positiven Zukunft zu lenken.
Und dafür braucht es die Organisation von morgen.
Viele Organisationen fragen sich, wie geht es für uns weiter? Wie können wir wissen, wie unser Produkt in zehn Jahren aussieht? Oder wie unsere Organisation in 15 Jahren aufgestellt ist.
In diesem Zuge haben wir im Rahmen unseres Whitepapers Interviews mit Expert:innen geführt, um herauszufinden, wie sie diesen Herausforderungen begegnen.
Dazu haben wir uns als erstes mit dem Konzept der Zielbilder beschäftigt. Wahrscheinlich hat jede:r eine andere Interpretation von Zielbildern im Kopf. Für den einen ist es ein Purpose, oder eine Vision, für die andere ein Strategiepapier. Wir sind der Meinung, dass Zielbilder etwas größer, genauer und konkreter sein können für Mitarbeitenden. Dass sie eben nicht nur mit diesen abstrakten Botschaften enden, sondern genau zeigen, was man im Team verändern kann, oder in welche Richtung sich ein Produkt entwickelt. Dadurch erhöht sich die Nutzung im Alltag, die Akzeptanz und gleichermaßen auch die Motivation, auf diese Zielbilder hinzuarbeiten. Wir glauben also, dass Zielbilder konkrete Beschreibungen von Situationen in der Zukunft sein sollten, die anschlussfähig sind. Das heißt, dass die Mitarbeitenden verstehen, wohin es geht, und jede:r damit im Hier und Jetzt arbeiten kann.
Wenn wir beispielsweise das Ziel haben „Wir möchten agil werden“, dann hat davon jede:r eine eigene Interpretation. Für den einen bedeutet das, flexibel zu sein, die andere denkt an Scrum, der nächste möchte Karten auf einem Bord hin und herschieben. Es sind ganz verschiedene Ideen im Raum. Das bedeutet, dass es mit dieser Unklarheit schwer ist, die Richtung zu sehen, in die es wirklich gehen soll. Daher haben wir konkrete Situationsbeschreibungen, also Zielzustände, entwickelt, an denen man erkennen kann, in welche Richtung sich eine Entwicklung lohnt.
Wir glauben, dass es so für Teams viel einfacher ist, eine eigene Vorstellung zu entwickeln, sich auf Veränderung zu freuen und die Unsicherheit genommen wird. Gleichzeitig werden Spannungen aufgebaut, weil klar wird, welche Aspekte heute noch nicht Realität sind.
Wenn wir uns auf einer Transformationsreise befinden, dann ist so viel unbekannt. Man probiert Neues aus, überlegt, wohin man möchte, hat vielleicht einige wichtige Kompetenzen noch nicht und tut Dinge zum ersten Mal. Dann braucht es etwas, an dem wir uns orientieren können, wie Verhaltensweisen im Team, ein angestrebter Zustand in der Produktentwicklung. Und dafür dienen die Zielzustände, anhand derer man sehen kann, wo man ist, wohin es gehen kann. Diese Zielzustände sind kein Nordstern, der nur an ein großes Ziel denkt, sondern es sind viele kleine Möglichkeiten, die man zur Orientierung nutzen und anhand derer sich ein Team Stück für Stück auf das Zielbild hinentwickeln kann. Dabei kann man sich auf das konzentrieren, was in dem Moment wichtig ist für das Produkt, das Team, oder die Mitarbeiter:innen.
Um aber der rasenden Geschwindigkeit der aktuellen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen zu können, braucht es noch mehr: Eine hohe Reaktionsfähigkeit. Es ist nicht mehr zeitgemäß, aufgrund von Unsicherheiten auf Entscheidungen von Vorgesetzten warten zu müssen oder lange mit anderen Teams über die Bewältigung einer Herausforderung zu diskutieren. Auf allen Ebenen der Organisation braucht es Vertrauen für autonome Entscheidungen und feste Orientierungspunkte für zielgerichtetes Handeln. Zielbilder liefern die nötige Klarheit für Teams, diese Autonomie auch ausfüllen zu können.
Stellen wir uns jetzt einmal vor, dass es alle Unternehmen und Institutionen geschafft haben, sich zur Organisation von morgen zu entwickeln. Sie haben klare Zielbilder von ihrer eigenen Zukunft und sehen Disruption als Chance, diese Zukunft zu gestalten.
Zielbilder wachsen über Organisationen hinaus und es entsteht eine übergreifende Idee von einer erstrebenswerten und lebenswerten Zukunft. Organisationen vernetzen sich und können - wie ein Ökosystem – entlang ihrer Zielbilder, gemeinschaftlich die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen besser bearbeiten. Denn nur in der Zusammenarbeit mit anderen können wir die großen Ziele, wie Kreislaufwirtschaft, der Schutz des Lebens im Wasser und an Land, nachhaltige Städte und Mobilität, sowie soziale Gerechtigkeit erreichen.
Das komplette Whitepaper „Die Organisation von morgen startet jetzt. Wie Organisationen durch aktive Zukunftsgestaltung resilienter werden“ finden Sie hier.
Verfasst von:
Marco Springer