Fridtjof Detzner beschreibt sich selbst als Gründer, Business Angel, Entdecker, Speaker und Abenteurer. Sein erstes erfolgreiches Unternehmen, Jimdo, gründete er bereits mit 16 Jahren. Heute hilft er mit Planet A anderen Gründungsteams dabei, neue, nachhaltige Geschäftsmodelle zu bauen, die unsere Welt und die Zukunft wirklich braucht. Wir haben mit ihm über Naivität, Purpose und die Möglichkeiten einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft gesprochen.
Was macht für dich eine*n Gründer*in aus?
Ich würde sagen: Mut. Ich komme aus einer Familie, in der es keine Unternehmer gab. Ich habe mich meine erste Gründung mit 16 nur getraut, weil ich nicht allein war. Ich habe sehr großen Respekt vor Leuten, die sich das allein zutrauen. Zusammen mit anderen war es für mich erträglicher und schöner.
Wo ist denn die Grenze zwischen Mut und Naivität?
Ich finde, Naivität wird viel zu negativ dargestellt. Wenn man zu jemanden sagt, dass er naiv ist, dann ist das eigentlich eine Beleidigung. Ich finde aber, dass Naivität einen manchmal Dinge tun lässt, die man nicht ganz durchschaut. Dann kann Naivität auch zu etwas Positiven werden. Naivität lässt einen über eine Schwelle springen, von der man zuvor gar nicht wusste, dass sie da war, und dann kann man nicht mehr zurück. Oft werden Dinge retrospektiv als naiv dargestellt, wenn sie nicht geklappt haben. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur mutig.
Kann man unternehmerischen Mut lernen?
Man lernt definitiv, gelassener zu werden und man lernt, dass man es nicht alleine macht. Dadurch kann man die mentale Stärke aufbauen, mutigere Entscheidungen zu treffen. Die Frage ist immer: Wie groß sind deine Sprünge aus der Komfortzone? Ich glaube, je größer der Sprung, desto größer wird der Wachstumsschritt für dich. Wenn du den Sprung aber zu groß wählst, dann gibt es natürlich auch das Risiko einer Negativerfahrung. Allerdings muss man eines sagen: Mut alleine reicht nicht. Man muss es dann auch hinkriegen. Und das ist ganz viel harte Arbeit.
Wie schafft man es, bei der harten Arbeit durchzuhalten?
Für eine Fernsehsendung habe ich mal eine lange Reise unternommen, auf der ich verschiedene Gründer kennengelernt habe. Dabei habe ich gelernt, dass es für eine Gründung grob gesagt zwei Gründe geben kann. Der eine ist der Luxuriöse, wie bei mir: Weil man etwas macht, das man machen will. Der andere ist, dass Leute gründen, um ihre Familie durchzubringen. Diese beiden Welten werden oft in einen Topf geworfen, aber eigentlich sind sie sehr unterschiedlich. Wenn man am luxuriösen Ende des Spektrums ist, dann kann einem der eigene Purpose viel Durchhaltevermögen geben. Ein Beispiel: Früher hatte ich totale Ängste, an die Tafel zu gehen, etwas vorzustellen oder auch nur jemanden anzurufen. Heute rufe ich zehn Mal am Tag jemanden an und frage, ob er bei einem Projekt mitmachen will. Ich habe durch das Unternehmerische eine starke Antwort auf das Warum gefunden. Das hilft mir.
Die Kernfrage, die mich oft umtreibt, ist: Welche Unternehmen wollen wir bauen?
Was ist denn dein Purpose? Auf deiner Website findet man den Spruch „Build something the Planet needs.“
Diesen Spruch haben wir mal auf ein Plakat für eine Fridays-for-Future-Demo gemalt und dann hat er sich ehrlich gesagt etwas verselbstständigt. Die Welt hat monetären Reichtum lange Zeit als einziges Erfolgskriterium gesehen. Purpose versucht das auszuweiten und zu sagen, dass es auch darum geht, was du mit welchem Zweck machst. Das finde ich erstmal richtig. Ich habe meinen jetzigen Purpose nach meiner Reise für das Fernsehformat „Founders Valley“ entwickelt: Was mich sehr geprägt hat, war die Begegnung mit einem Bauer in Zentralindien, der versucht hatte, sich mit Gift das Leben zu nehmen, weil er das dritte Jahr in Folge eine Missernte hatte. Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Man nennt die Gegend sogar den „Suicide Belt“. Man kann dort die Korrelation zwischen der Selbstmordrate der Bauern und den sich verändernden Wetterdaten statistisch belegen. Das Durchleben und Spüren dieser und anderer Situationen haben bei mir eine Art Ohnmachtsgefühl ausgelöst, das zu meinem neuen Purpose geführt hat. Ich habe angefangen, mich bei Tomorrow und beim Impact Hub Hamburg zu engagieren, habe in diese Richtung investiert und begonnen, anderen nachhaltige Geschäftsmodelle wie beispielsweise Wildplastic mitaufzubauen. Generell ist „bauen“ mein Lieblingsverb. Die Kernfrage, die mich oft umtreibt, ist: Welche Unternehmen wollen wir bauen? Die Antwort darauf kann ich nicht allein finden. Bei Planet A beziehen wir die Wissenschaft mit ein, um herauszufinden, welche Firmen wir bauen sollten.
Woher weiß man denn, welchen Impact Firmen haben werden?
Da hat mir eine Wissenschaftlerin ziemlich die Augen geöffnet. Ich habe gelernt, dass Impact nicht immer intuitiv ist. Mit Wild Plastic zum Beispiel kaufen wir Plastik in Ländern wie Haiti und schiffen es zurück nach Europa. Das klingt erstmal nicht besonders umweltfreundlich. Wir haben es allerdings genau bilanziert, mithilfe eines sogenannten Life-Cycle-Assessments. Da schaut man sich den gesamten Lebenszyklus eines Produkts an – von der Produktion zur Benutzung zum Endlebensszenario. Dabei haben wir gemerkt: Für eine so recycelte Plastiktüte emittieren wir viel weniger CO2 als für eine neu hergestellte. Wir müssen Firmen bauen, die basierend auf wissenschaftlicher Evidenz gut für den Planeten sind, und nicht nur welche, die gut klingen. Das wurde dann zur Kernidee von Planet A: Wenn wir Unternehmen bauen, dann lasst uns die Unternehmen bauen, die zu einer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen führen.
Wie können wir es schaffen, dass diese Denke in die meisten Gründungsentscheidungen integriert wird?
Im Moment haben wir eine Wirtschaft, die davon profitiert, dass sie nicht die wirklichen Kosten bezahlen muss: Die Externalitäten werden nicht internalisiert in den Produkten, deswegen bekommen wir die zu einem anderen Preis. Das heißt, ein Teil der Antwort ist es, die Gesetzgebung, also die Rahmenbedingungen, unter denen Wirtschaften erlaubt ist, zu verändern. In Europa fängt das zurzeit gerade an. Wenn eine gewisse Regulatorik da ist, dann verändern sich auch die Geschäftsmodelle. Dann gibt es noch das Konsumentenverhalten. Auch hier gibt es in Europa immer mehr Menschen, die informiertere Kaufentscheidungen treffen. Und es gibt immer mehr tolle Gründer und Gründerinnen, die Teil der Lösung werden wollen mit ihren Unternehmen. Alle drei Dinge sind interdependent. Die Regulatorik, das Konsumverhalten und die Startups, die es gibt, beeinflussen die bestehende Wirtschaft und hängen zusammen. Wenn Startups Alternativen bieten, kann die Politik neue Gesetzgebungen auf den Weg bringen. Mit Planet A versuchen wir zu beweisen, dass es schon jetzt sinnvoll ist, auf die Firmen zu setzen, die für eine künftig kommende Regulatorik gut aufgestellt sind. In einzelnen Nischen können wir das sogar schon beweisen. Die Firmen, die einen positiven Impact haben, müssen die Gewinner der Transformation werden. Ich hoffe, dass wir das hinkriegen, und versuche zusammen mit tollen Leuten zu beweisen, dass diese Hoffnung begründet ist. Es ist eine kleine Rebellion.
Gleichzeitig setzt eure Rebellion stark im System an, das es schon gibt, und versucht so die Zukunft umzubauen.
Ja. Ich glaube, mit „Anti gegen alles“ wirst du die Welt nicht umbauen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, Erfolgsgeschichten mit Startups zu schreiben, damit auch konservativere Leute verstehen, dass unser Bild der Wirtschaft sinnvoll und eine schnelle Transformation unabdinglich ist.
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