Wenn mich jemand fragt, was ich an meiner Arbeit schätze, steht ein Faktor immer weit oben auf der Liste, die ich dann beginne aufzuzählen — das Wir-Gefühl im Team, welches wir im normalen Arbeitsalltag tagtäglich leben und pflegen.
Dieses Gefühl des Zusammenhalts ist ein Faktor, der für viele Personen ausschlaggebend dafür ist, dass sie sich am Arbeitsplatz wohlfühlen. Ein Faktor, um den in Zeiten von Corona-bedingtem Homeoffice und #socialdistancing viele Teams und Team-Verantwortliche bangen.
Diese Sorge ist zunächst nicht unberechtigt, führen wir doch vieles, was wir als Team- oder Wir-Gefühl bezeichnen, auf persönliche soziale Interaktion zurück. Glücklicherweise leben wir aber in einem Zeitalter, das vor digitalen Möglichkeiten nur so strotzt, in dem ein Großteil tagtäglicher Interaktionen längst digital abläuft und in dem die meisten von uns mindestens Grundkenntnisse in Social Media vorweisen können. Und auch dort, wo der digitalen Welt Grenzen gesetzt sind, finden wir kreative Möglichkeiten, uns über die Distanz zu behelfen. Doch eines ist klar: Diese neue Situation stellt uns alle vor bisher unbekannte Herausforderungen, denen wir bewusst und zielgerichtet begegnen müssen.
Wir-Gefühl — verstehen, finden und pflegen
Was kann man nun also tun, um als Team nicht in losgelöste Einzelteile zu zerfallen, sondern auch über Distanz — remote — das Wir-Gefühl zu wahren?
Die schlechte Nachricht:
So komplex und individuell ein Wir-Gefühl in der analogen Welt ist, so spezifisch und maßgeschneidert müssen auch die Mittel und Maßnahmen sein, um es remote aufrecht zu erhalten. Eine universalgültige Lösung, die für jedes Team funktioniert und die man einfach nur eins zu eins kopieren muss, dürfte kaum zu finden sein. Jedes Team muss seinen eigenen Modus finden.
Die gute Nachricht:
Es gibt Methoden, die ein Team dabei unterstützen, diesen eigenen Weg zu finden und zu beschreiten. Und gemäß dem vielzitierten Innovationsmotto „Bau auf den Ideen anderer auf“ können wir uns Inspiration von denen holen, die dies bereits erfolgreich geschafft haben. Schließlich gibt es ganze Unternehmen, die auch unabhängig von Pandemien rein remote aufgestellt sind und trotzdem, oder gerade deswegen, in funktionalen Teams agieren.
Teams, die sich dem remoten Wir-Gefühl annehmen wollen, sollten sich folgende drei Fragen stellen:
1. „Was ist eigentlich unser Wir-Gefühl?“
Um das Wir-Gefühl in die remote Arbeit zu übertragen, sollte man sich zunächst Gedanken darüber machen, was es denn eigentlich ist, was man da etablieren möchte. „Wir-Gefühl“ ist ein abstrakter Begriff, sehr Team-individuell und schwer messbar. Die Ausformulierung dieses Gefühls muss nicht wissenschaftlichen Standards genügen, ein erstes Stimmungsbild der Teammitglieder reicht aus, um eine Idee davon zu bekommen womit man es zu tun hat. Möglicherweise stellt man hier mit Schrecken fest, dass man sich entweder noch nie Gedanken zu diesem Thema gemacht hat oder es dieses erwünschte Konstrukt im eigenen Team schlicht und ergreifend nicht gibt. Wenn dem so ist, sollte man nicht direkt die Flinte ins Korn werfen. Vielmehr sollte es als Chance wahrgenommen werden, in dieses Thema einzusteigen.
2. „Was trägt normalerweise zu unserem Wir-Gefühl bei und wie pflegen wir es?“
Egal ob bewusst geplant oder durch eigenständige Dynamiken entstanden — es gibt viele Faktoren, die dafür sorgen, dass es das Wir-Gefühl gibt und dass es in der täglichen Arbeit aufrechterhalten wird. Das können gemeinsame Kaffeepausen, regelmäßige Status-Updates, spontane Team-Meetings oder auch gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Büros sein. Wenn man sich bewusst macht, was bisher die Hebel für das Wir-Gefühl waren, kann man sich bereits gezieltere Gedanken darüber machen, wie man sie remote gestalten kann.
3. „Wie können wir diese Aspekte in die remote Zusammenarbeit übertragen?“
Es dürfte nun eine recht lange Liste von mehr oder weniger greifbaren Handlungen, Routinen oder Gesten entstanden sein, die auf verschiedene Weise dafür sorgen, dass es ein Wir-Gefühl gibt. Einige davon lassen sich recht einfach digital umsetzen oder sogar verbessern, wie etwa der regelmäßige Jour-Fixe per Video-Call oder das Stimmungs-Check-in am Anfang eines Meetings per Emoji im Chat. Anderes ist nicht ohne weiteres übertragbar, wie der gemeinsame Spaziergang nach dem Mittagessen, das spontane Treffen an der Kaffeemaschine oder einfach das bunte Treiben im Büro. Hier empfiehlt es sich, diese Dinge noch weiter unter die Lupe zu nehmen. Was ist es genau, was uns an diesen Ritualen gefällt? Vielleicht ist es beim Spaziergang der Austausch abseits von Arbeitsthemen. An der Kaffeemaschine die niedrigschwellige Möglichkeit ohne Termin in die Themen meiner Kolleg*innen reinzuhören. Beim bunten Treiben im Büro das Wissen, dass andere gerade genauso viel zu tun haben wie ich.
In solchen Fällen sollte man sich davon lösen, die jeweiligen Aktivitäten eins zu eins in das remote Arbeiten übersetzen zu wollen. Stattdessen setzt man besser beim soeben herausgefilterten Kern an, der das Wir-Gefühl maßgeblich beeinflusst und entwickelt ganz neue Formate, die den entsprechenden Zweck erfüllen.
Remote-Wir bei zero360
Auch in unserem Team haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir in Zeiten des remote Arbeitens unser Wir-Gefühl pflegen und weiterentwickeln können. Hier sind einige unserer Einsichten:
- Ein von vielen sehr geschätzter Wir-Gefühl-Hebel ist der lockere und projektunabhängige Austausch mit Kolleg*innen. Im Büro konnten wir bisher immer direkt sehen, ob jemand gerade ansprechbar ist oder nicht gestört werden will. Beispielsweise wenn jemand im Meeting oder am Telefon ist, sich räumlich zurückgezogen oder Kopfhörer aufgesetzt hat, was sich als „bitte nicht stören“-Symbol etabliert hat. Oder eben an der Kaffeemaschine steht und für ein Pausengespräch zu haben ist. Um unsere Erreichbarkeit auch remote anzuzeigen, stellen viele von uns mittlerweile im Slack-Messenger ihren Status ein. Anhand eines kleinen Icons, wie z.B. Kopfhörer für Konzentrationsphasen, das Telefon für Calls oder die Kaffeetasse für Pausen, sehen die Kolleg*innen auf einen Blick, ob man ansprechbar ist und Zeit für einen virtuellen Kaffee hat. Viele von uns haben das Tool außerdem mit ihren Kalendern verknüpft, sodass automatisch im Status erscheint, wenn man sich gerade in einem Meeting befindet.
- Unser Friday Team Jam, in dem Erfahrungen geteilt, Ideen ausgetauscht und abschließend ein paar Biere geöffnet werden, findet nun (statt alle zwei Wochen) wöchentlich per Video-Call statt und ist ungefähr dreimal so gut besucht, wie bisher.
- Geburtstagskinder werden mit einem kakophonischen Geburtstagsständchen per Video-Call oder -Nachricht beglückt und bekommen ihr Geschenk nach Hause geschickt. Die Geburtstagskarte wird beispielsweise mit Fotos oder digitalen Unterschriften geschmückt und jedes Teammitglied kann sich bei Bedarf künstlerisch verewigen.
Weitere Details zu einigen unserer bewährten Rituale im Team können auf unserem Blog nachgelesen werden.
Mehr Wir wagen
Grundsätzlich sei gesagt, dass sich diese neuen Rituale nicht über Nacht etablieren lassen. Sie müssen stetig ausprobiert und weiterentwickelt werden. Man benötigt also ein wenig Geduld und vielleicht sogar Frustrationstoleranz — etwa, wenn die gerade neu ausgedachten Ideen vom Team schlicht nicht angenommen werden. Doch dieser Punkt gilt im analogen Leben genauso. Teams sind nun einmal komplexe Konstrukte.
Die Ausnahmesituation durch die Corona-Pandemie bedeutet für uns alle Disruption und Unsicherheit. Doch mit großen Veränderungsprozessen sind immer auch Chancen verbunden und vielleicht schweißt es uns am Ende des Tages als Team sogar noch enger zusammen. Denn zusammen ist man nie wirklich allein.
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