Uns bleiben etwa acht Jahre, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Eins steht fest: Viel Zeit ist das nicht. Wenn wir die Ziele nicht verfehlen wollen, müssen wir jetzt erkennen, dass Nachhaltigkeit kein bloßer Trend ist, sondern ein Muss. An vielen Stellen ist dies schon geschehen und auch in der Wirtschaft sind nachhaltige Geschäftsmodelle in aller Munde. Doch viele denken bei diesem Stichwort zuerst an grüne Startups wie Impossible Foods oder Enpal: neue Ideen, die aus dem Nichts entstehen und als Firmen gegründet werden. Um dem Klimawandel wirklich etwas entgegenzusetzen, brauchen wir jedoch nicht nur die Entwicklung neuer nachhaltiger Unternehmen, sondern vielmehr die Transformation klassischer Organisationen hin zu nachhaltigen Organisationen. Statt nur Neues zu erschaffen, muss Altes zu Neuem transformiert werden.
Und was bedeutet das? Im Grunde eine ganze Menge: Von Strukturen über Prozesse bis hin zur Kultur berührt eine Nachhaltigkeitstransformation so ziemlich alle Aspekte von Organisationen. Was sind also die organisationinternen Voraussetzungen, um den Weg zur Nachhaltigkeit zu bereiten?
Große Ziele in kleine Schritte herunterbrechen
Ein gängiger Stolperstein im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist etwas, das man die „Ganz-oder-gar-nicht-Attitüde“ nennen könnte: Entweder eine Firma ist nachhaltig oder sie es eben nicht. Wenn man nicht komplett nachhaltig werden kann, dann lässt man es eben ganz. Dieses Schwarz-Weiß-Denken verhindert, was wir wirklich brauchen: Eine Transformation klimaschädigender Unternehmen hin zu nachhaltigeren Unternehmen. Und diese Transformation ist nichts anderes als ein Prozess. Im ersten Schritt geht es nicht darum, nachhaltig zu werden, sondern nachhaltiger zu werden. Damit ist schon viel gewonnen. Voraussetzung dabei ist natürlich, dass der Prozess ernst gemeint und auf ein ambitioniertes Gesamtziel ausgelegt ist.
Selbst in der Finanzwirtschaft werden derzeit sogenannte „Transformationsfonds“ diskutiert, in denen nur Firmen aufgenommen werden, die sich glaubhaft in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Diese Idee steht im Gegensatz zu den klassischen „Nachhaltigkeitsfonds“, in denen einzig Firmen zusammengefasst werden, die bereits eine gewisse Nachhaltigkeit vorweisen. Der Grundgedanke: Es geht um die Unterstützung des Prozesses, nicht um eine statische Kategorisierung in klimaschädigend und nachhaltig. Für Firmen bedeutet das konkret, dass große Nachhaltigkeitsziele in kleine, messbare Ziele heruntergebrochen werden müssen. Also: Eine Firma setzt sich als anspruchsvolles, aber realistisches Ziel beispielsweise die Klimaneutralität. Dieses Ziel wird dann in kleinere, sowohl zeitlich als auch quantitativ messbare Unterziele heruntergebrochen: Welcher Bereich kann auf welchem Weg wie viel CO2 einsparen und welche einzelnen Schritte werden für diesen Wandel benötigt? Wie kann unvermeidbares CO2 auf anderem Wege kompensiert werden? Welche Strukturen und Verantwortlichkeiten müssen dafür geschaffen werden? Welche Etappensiege gibt es? Die auf diese Art definierten Unterziele können nach und nach erreicht werden und zusammen als gelebter und überprüfbarer Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit wirken. Ein derartiges Setzen der Ziele macht den Prozess nicht nur realisierbarer, sondern auch motivierender für die Firma und alle Mitarbeitenden.
Aus alten Logiken ausbrechen
Um die Unterziele zu erreichen, ist neben einer guten Planung und Überprüfung vor allem eines wichtig: das Entwickeln und Etablieren neuer Denkweisen. Denn oft folgen die neuen Ziele einer ungewohnten Logik: Wo bisher nur der Profit den Erfolg kennzeichnete, muss nun auch Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor einberechnet werden. Wo man früher primär in Produkten gedacht hat, die produziert, benutzt und entsorgt werden, muss heute in Services gedacht werden, die langlebige Produkte unterstützen. Wo Firmen bisher Alleingänge betrieben haben, müssen heute die Potenziale sich gegenseitig unterstützender Ökosysteme bedacht werden.
Diese veränderten Zielsetzungen erfordern vor allem eines: Die Fähigkeit, neu und vor allem langfristig zu denken. Insbesondere Führungskräfte müssen also darin unterstützt werden, neue Ideen zu entwickeln und sich zu trauen, Langfristigkeit vor Kurzfristigkeit zu stellen. Diese Fähigkeit kann durch Weiterentwicklungsmaßnahmen gestärkt werden, muss aber ebenfalls vom C-Level vorgelebt und durch Strukturen, Prozesse und Anreize gestärkt werden. Letztere sind ein klassisches Werkzeug, das in vielen Organisationen genutzt wird, um die Leistung der Mitarbeitenden zu maximieren. Boni werden ausgezahlt, wenn ein gewisses finanzielles Ziel erreicht wurde. Weil sich dieses Ziel nun in Richtung Nachhaltigkeit verändert, können nichtsdestotrotz die gewohnten Systeme genutzt werden. Was, wenn es statt Boni für finanzielle Erfolge zukünftig Boni für weniger Materialverbrauch oder umweltfreundlichere Prozesse gibt? Denn Nachhaltigkeit und finanzieller Erfolg schließen sich keineswegs aus. Es ist einzig eine Frage der Zeitspanne, die betrachtet wird. Das Rad muss also nicht neu erfunden werden – es muss nur neu benutzt werden.
Vertrauen schaffen durch Transparenz
Neben der Einführung kleinerer, messbarer Nachhaltigkeitsziele und der Veränderung von alten Denkweisen gilt es, den Fortschritt innerhalb und außerhalb der Organisation zu kommunizieren. Denn: Über jeglichen Nachhaltigkeitsinitiativen von Unternehmen hängt der Verdacht des Greenwashings. Wenn es eine Organisation ernst meint, ist es daher wichtig, dass vor allem die eigenen Mitarbeitenden dies verstehen. Nur dann können sie begeistert werden, aktiv die Nachhaltigkeitsziele mitzuverfolgen. Das Zauberwort ist hier Transparenz: Welche messbaren Ziele wurden bereits erreicht, welche nicht und warum, und welche Ziele stehen als nächstes an? Die Kommunikation ist nicht nur ein Mittel zur stärkeren Selbstverpflichtung – wer seine Ziele öffentlich macht, fühlt sich eher schuldig, sie einzuhalten –, sondern ebenfalls eine Möglichkeit, die Unterstützung der Mitarbeitenden zu gewinnen. Bereits heute bevorzugen zwei Drittel der Millennials Firmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie. Um das Engagement dieser Mitarbeitenden zu nutzen, sollte die Kommunikation keine Einbahnstraße bleiben. Vielmehr kann man sich sogar den sogenannten IKEA-Effekt zunutze machen (Selbstgebautes gefällt besser als bereits Fertiggestelltes): Warum nicht die Mitarbeitenden aktiv in die Maßnahmenentwicklung einbeziehen? Offene Brainstorming dazu, welchen Beitrag einzelne Abteilungen leisten können, schaffen nicht nur eine transparentere Kommunikation über das Thema Nachhaltigkeit, sondern sammeln nebenbei zusätzliche Unterstützung für die entsprechenden Maßnahmen.
Ziele in messbare Etappen einzuteilen, neues Denken und Handeln zu fördern und die Strategie glaubhaft und motivierend zu kommunizieren sind also die Eckpfeiler dafür, Unternehmenskulturen in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten. Es geht um einen Prozess. Es geht um gemeinsames Handeln. Und, wie wir spätestens seit Greta Thunberg wissen: Es geht um den Fortbestand unserer Gesellschaft.
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