Digitales Lernen in verschiedenen Ausprägungen – ob Remote oder Blended Learning – ist ein Angebot, welches uns in immer mehr Organisationen begegnet. Es ist an der Zeit, die Wirksamkeit der häufig noch heterogenen, oft aus der Not heraus entstandenen digitalen Lernformate zu überdenken. In diesem Artikel werden die wichtigsten Handlungsfelder eines lebendigen Lernökosystems beschrieben. Zudem betrachten wir die sog. „Future Skills“, zukünftig relevante Kompetenzen, die Rollen der Prozessbeteiligten und geben Tipps für die ersten Schritte auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur.
Unseren Ansatz fassen wir dabei als „Learning Experience Adventure“ zusammen. Wir machen digitales Lernen zu einer positiven, motivierenden Erfahrung. Mit „L.E.A.s Lernlandschaft“ haben wir ein Instrument entwickelt, das uns einen Idealzustand aufzeigt und ermöglicht, davon ausgehend, die individuellen Ist- und Soll-Zustände abzuleiten.
Was ist eine Lernlandschaft?
Das Lernen im digitalen Zeitalter sehen wir als ein Ökosystem, in dem durch eine gute Verzahnung einzelner Handlungsfelder eine zukunftsfähige Lernkultur entsteht. Der Ausbau von Prozessen, die Bereitstellung von Technologien, die Auswahl der essentiellen Kompetenzen sowie die Entwicklung einer auf das Lernen fokussierten Haltung innerhalb einer Organisation, können nicht voneinander isoliert gedacht werden.
Auf dem Bild unserer Landschaft sieht man Lea, gemeinsam mit einem Lernpartner, auf ihrer Lernreise. Das Wetter ist angenehm warm, die Wasserflaschen sind gefüllt, unsere Lernenden sind passend ausgerüstet. Dank des am Lenker befestigten Navigators kann das Ziel nicht verfehlt werden. Nichts steht einer positiven Lernerfahrung im Weg. Unser Bild zeigt aber auch bereits, dass es nicht unbedingt nur einen Weg zum Ziel gibt. Eine gut gemachte Lernreise bietet neben dem direkten Weg auch Erweiterungen und spannende Stationen etwas abseits des Erwarteten.
Unser Bild zeigt, wie Lernende, ihre individuellen Ziele und Lerngewohnheiten in den Mittelpunkt rücken. Sie bekommen die Möglichkeit, aktiv Verantwortung für Lernziele und ihren Lernerfolg zu übernehmen. In einem Idealzustand unterstützt die interne Rolle eines*r Bildungsbeauftragten bei der Planung einer Lernreise und kuratiert Inhalte ausgehend von individuellen Bedarfen und den jeweiligen strategischen Zielen einer Organisation. Ein weiterer ausschlaggebender Faktor ist das Verhalten der Führungskräfte. Sie haben zum einen eine Vorbildfunktion und sind zum anderen Ermöglicher*innen für die Integration des Lernens in den Arbeitsalltag.
Wie gestalte ich eine Lernlandschaft für meine Organisation?
Jede Organisation hat bereits vorhandenen Strukturen, Formate und Rollen, die das Lernen im Unternehmen prägen. Genau diese Rahmenbedingungen und ihr Zusammenspiel werden in einem ersten Schritt in einer Analyse des Ist-Zustands gesammelt und kritisch hinterfragt. Die Metapher einer Lernlandschaft und unserer radelnden Lernenden hilft, diesen Prozess konstruktiv zu analysieren, ohne dass die Beteiligten sich angegriffen fühlen. In Form eines Workshops oder Interviews lassen sich Fragen wie „Was für Fahrräder fahren wir gerade?“ oder „Wo tankst du Motivation?“ gut beantworten.
Der Ist-Zustand wird dann mit einem Soll-Zustand abgeglichen. Ein Soll-Zustand in Bezug auf das Lernen und die Lernangebote innerhalb einer Organisation sollten dabei direkt mit den strategischen Zielen einer Organisation verknüpft sein. Zukunftsszenarien helfen, erforderliche Kompetenzen einer Organisation im Heute und Morgen, sowie die entsprechenden Lernbedarfe, abzuleiten.
Unsere Empfehlung hinsichtlich der eigentlichen Umsetzung ist, den Prozess in Pilotprojekten zu starten. Diese sind als kleine Experimente zu verstehen und erlauben es, in überschaubarem Rahmen schnell Erkenntnisse zu gewinnen. Auf deren Basis können weitere Schritte konzipiert, geschärft und umgesetzt werden. Wichtig dabei ist zum einen, die Pilotprojekte bereits in einer größer gedachten Lernlandschaft zu verorten. Zum anderen ist es bereits in diesen ersten Schritten wichtig, Führungskräfte eng einzubinden. Ein Beispiel? In einer Organisation wurde als Teil einer neuen Lernlandschaft ein informeller Kanal zum internen Wissens- und Kompetenzaustausch eingeführt, ein „Skills Black Market“, um das Lernen im Dialog unter den Angestellten zu fördern. Ein Erfolg wurde das Projekt, als sich auch Führungskräfte mit Suchanfragen und Hilfsangeboten beteiligten.
Was sind Future Skills und sind es nicht dieselben, die auch heute schon zählen?
Unter dem Begriff „Future Skills“ werden jene Kompetenzen summiert, die nach heutigem Verständnis in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Geht man von einem stetigen technologischen Fortschritt aus, werden sich viele der bis vor Kurzem noch sicher scheinenden Berufsbilder ändern und neue, teils noch nicht definierte Tätigkeiten entstehen. Diese Aussichten verändern schon heute unseren Blick auf Kompetenzen, die industrieübergreifend in der Zukunft gefragt sein werden. Dabei dürfen wir „Future Skills“ nicht nur auf technische Skills, z.B. Programmieren, reduzieren. Heuristische Kompetenzen wie die Fähigkeit, flexibel auf neue Aufgaben zu reagieren und im Team nach kreativen Lösungen zu suchen, werden in der Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen.
In einigen Organisationen findet schon heute die Wertschätzung und Förderung zukunftsrelevanter Kompetenzen statt. Andere Unternehmen sind gerade dabei bzw. stehen erst noch davor, erste Lücken („Skill-Gaps“) in den vorhanden Kompetenzen sowie deren Folgen zu erkennen.
Um sich auf die Zukunft vorzubereiten, empfehlen wir, sich zunächst mit möglichen Szenarien der eigenen Organisation auseinander zu setzen. Die Auswahl, Gewichtung und Ausprägung der jeweiligen Future Skills sollte dabei von jeder Organisation mit Blick auf die eigenen Ziele, die Bedarfe und Interessen der Mitarbeitenden getroffen werden.
Als Orientierung und Inspiration stellen wir ein paar unserer internen Future Skills vor. Basierend auf unterschiedlichen Szenarien sind wir überzeugt, dass diese bereits heute relevant und für die Zukunft essentiell sind.
- Flexibel auf die Zukunft reagieren: Ungewissheit als Chance betrachten (Selbstkompetenzen)
- Proaktiv die Zukunft gestalten: aus kleinen Experimenten lernen (Selbstwirksamkeit)
- Kreativität und Fantasie entfalten: bestehende Denkmuster aufgeben (Explorationswille)
- Förderung von fachübergreifender Kollaboration: gemeinsame Lösung der Aufgaben (Sozialkompetenzen)
Wie macht man Lernenden das Lernen schmackhaft, wenn sie (noch) keine Lust darauf haben? Anders gefragt: Wie bewegt man Menschen zur Veränderung?
Die Einführung neuer Lerntools oder -formate greift mitunter stark in die Gewohnheiten von Mitarbeitenden ein. Entsprechend spielt die Frage nach der Motivation zur Veränderung eine zentrale Rolle.
Diese Frage ist für jede Organisation individuell zu beantworten. Daher betrachten wir den transparenten und offenen Umgang mit Veränderung als einen der wichtigsten Motivationstreiber. Dabei sind Faktoren aus dem Außen und dem Innen zu beleuchten:
Welche externen Erwartungen und Anforderung machen ein Umdenken und neues Lernen dringend erforderlich? Welche Einflüsse schaffen Raum für neue Angebote oder neues Arbeiten?
Was hindert oder bremst uns intern in der Zusammenarbeit und in unserer Wertschöpfung? Welche Arbeitsabläufe oder Arbeitsweisen sind verbesserungswürdig?
Das neu erkannte Verständnis für die Veränderung sollte bei der Mitarbeiterschaft schrittweise durch konkrete Lern- und Unterstützungsangebote gefestigt werden. Wir empfehlen diese Angebote in einem partizipativen Prozess zu planen.
Dahinter steht das Ziel, Lernen innerhalb einer Organisation gemeinsam als Notwendigkeit zu erkennen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten und diese auch aktiv mitzugestalten.
Nicht zuletzt die Erfahrungen im Umgang mit COVID-19 haben gezeigt, wie schnell Themen rund um Digitalisierung überlebensnotwendig für Unternehmen werden. Es ist wichtig, Mitarbeitenden sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen, die sie in der Zukunft erwarten, transparent darzulegen. Durch die Benennung von fehlenden Kompetenzen und erwartbaren, zukünftigen Kompetenzlücken lassen sich inklusive und vielseitige Maßnahmen ableiten.
Der Austausch über interne Lern- und Weiterbildungsbedarfe, Zukunftsszenarien, z.B. über Lego Serious Play, größere digitale Town Hall-Formate oder kurze Erklärfilme dienen dazu, einen passenden Umgang mit Unsicherheit zu etablieren.
Solche Angebote bieten einen leichten Einstieg in das Thema und schaffen einen Rahmen für Dialog und Mitverantwortung. Idealerweise entstehen auf dieser Basis informelle Lernnetzwerke, welche den Austausch von Quellen, Best Practice, aber auch Antworten auf offene Fragen vorantreiben, Lernerfolge sichtbar machen und feiern.
Braucht es eine eigene interne Rolle, welche Lernprozesse kontinuierlich begleitet, oder ist dies Aufgabe der bestehenden Führungskräfte?
Wir erleben ein deutliches Umdenken der Rolle von Bildungsverantwortlichen, Personaler*innen und Personalentwickler*innen, Dozent*innen und Trainer*innen. Gerade mit Blick auf Best Practices können wir diese Frage mit einem „Ja“ beantworten: Die Gestaltung von Lernprozessen gewinnt, wenn sie zentral gesteuert wird.
In unserer Lernlandschaft übernimmt diese Aufgabe ein*e Bildungsverantwortliche*r – eine Sammelfigur für die genannten Rollen. In ihrem neuen Verständnis kümmert sie sich um eine direkte Verbindung zwischen den strategischen Zielen der Organisation, den Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden (wo möchten / müssen wir hin?) und den daraus entstehenden Interventionen (wie kommen wir dorthin?). Durch die Digitalisierung des Lernens eröffnen sich dabei Möglichkeiten neuer effektiver, informeller Lernformate, die, angepasst auf die jeweiligen Organisationsstruktur, eine hohe Reichweite und Teilhabe erlauben.
Diese sehr aktive Rolle der Bildungsverantwortlichen kann nur dann innerhalb einer Organisation aufgehen, wenn Führungskräfte als Vorbilder handeln und als Themenpat*innen auch deutlich sichtbare Rollen innerhalb der neuen Lernlandschaft einnehmen.
Wie geht man bei der Planung einer Lernlandschaft den ersten Schritt?
Die ersten Schritte sind meist die schwierigsten: Wie in allen Kulturprozessen startet man auch hier selten mit einer Tabula Rasa. Es gibt immer Gründe, warum Prozesse und Strukturen so sind, wie sie gerade sind. Die Motivation für Veränderungen sollte die Macht der Gewohnheiten aber überwiegen.
Ein zielführender, erster Schritt wäre, den Grund der Veränderung mit allen Prozessbeteiligten zu betrachten. Diese Einladung zum Dialog gibt organisationsübergreifend erste wichtige Diskussionsimpulse und sollte transparent über alle Hierarchien hinweg gestaltet werden. Mitarbeitende werden in die Lage versetzt, eigene Motivationsgründe für die Veränderungen zu benennen. Auch hier ermutigen wir vor allem am Anfang des Prozesses zu kleinen, gut strukturierten Experimenten. Eine unkonventionelle Intervention wäre zum Beispiel ein interaktives Online-Board, das ein organisationsübergreifendes Brainstorming zur Frage vorantreibt „Was möchten wir verlernen?“ – oder anders formuliert: „Was lassen wir hinter uns, um Platz für Neues zu schaffen?“
Viel Spaß auf der gemeinsamen Lernreise
Unsere „L.E.A. Lernlandschaft“ (unter dem Link Download) lässt sich in der Praxis vielseitig anwenden: Als Analyse-Werkzeug, um über den Ist-Zustand in der Organisation zu sprechen, als Inspiration, um Zukunftsbilder zu entwerfen, sowie als Instrument, um den Fokus auf die Lernenden zu richten.
Die Metapher einer Landschaft liefert eine gute Basis für die Zusammenarbeit und einen Dialog abseits von Hierarchien und Silos. Future Skills als Lernziele und die Wege dorthin können im Bild leicht verständlich und transparent festgehalten werden. Insofern: Hallo Zukunft, du kannst kommen!
Verfasst von Zwetana Penova & Lena Haag
Zwetana Penova bringt langjährige Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Wissenstransfer, Technologie und Didaktik mit. Die Begriffe „Lernen“ und „Innovation“ gehören für sie unmittelbar zusammen. In verschiedenen Stationen – als Design-Labor Gründerin bei den Cornelsen Schulverlagen, Gründerin des Edutech Start-ups lernox oder in ihrer heutige Rolle als Beraterin für verschiedene Organisationen und Unternehmen – trägt sie dazu bei, den Zugang zu Wissen erlebnisreich und inklusiv zu gestalten.
Im Fokus von Lena Haags Arbeit steht Personal- sowie Organisationsentwicklung. Sie begleitet Organisationen dabei, agile Transformationen ganzheitlich umzusetzen. Bei der Gestaltung zukunftsfähiger Arbeitsumgebungen macht Lena ihren Kunden Mut, gewohnte Lernstrukturen konstruktiv zu hinterfragen und partizipativ zu gestalten. Was sie dabei antreibt, ist der Anspruch, nachhaltige Impulse zu setzen.
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