Leadership

Der unsichere Chef

Warum wir eine neue Menschlichkeit in der Führung brauchen

Dr. Shamim Rafat
November 8, 2022
8min Lesezeit

Warum wir eine neue Menschlichkeit in der Führung brauchen

Es gibt Momente, die vergisst man nie. Als Gründer und Geschäftsführer von zero360 habe ich viele solcher Momente erlebt, doch insbesondere zwei haben mich in den letzten Jahren geprägt:  

Da ist zum einen der 18. März 2020. An diesem Abend sitze ich vor dem Fernseher und verfolge Angela Merkels Ansprache. Die Corona-Pandemie hat Deutschland erreicht – und mit ihr große Fragen: Was wird all das bedeuten? Für die Bevölkerung? Für die Wirtschaft? Für meine Firma? Was werden die nächsten Wochen und Monate bringen?  

Am 24. Februar 2022 blicke ich abermals schockiert auf einen Bildschirm. In der Ukraine bricht Krieg aus – gerade, als sich die Corona-Pandemie zu beruhigen scheint und die Hoffnung auf eine bessere Planbarkeit groß ist. Was wird diese Entwicklung bedeuten? Wie wird sie die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft prägen?

Zeiten der Verunsicherung 

Insbesondere beim Ausbruch der Pandemie spürte ich die Last der Verantwortung mit einer Wucht, die mir den Schlaf raubte. Eine ganze Firma mitsamt ihren Angestellten und Familien hing von den Entscheidungen ab, die ich nun treffen würde. Doch: Wie konnte ich wissen, welche Entscheidungen jetzt die richtigen sein würden?  

Ich war mit diesem Gefühl der Verunsicherung nicht allein. Wir alle haben unsere ganz persönlichen Erinnerungen an die beiden genannten Situationen und an die persönlichen Schicksalsschläge und die Veränderungen, die auf sie folgten. Doch während viele versuchen, mit den Konsequenzen umzugehen, gibt es eine Personengruppe, deren Aufgabe es ist, einen Teil dieser Konsequenzen mitzusteuern. Führungspersonen: die Menschen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die entscheiden müssen, wie es weitergeht – mit dem Land, der Organisation, dem Team. Keine leichte Aufgabe in Zeiten fortwährender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Schocks, die eine langfristige Planung unmöglich machen.  

Einer Studie der Universität St. Gallen zufolge stellen während der derzeitigen Umbrüche über 70 % der Befragten ihre Führungskompetenzen infrage. Natürlich gehörte Ungewissheit schon immer zum Alltag von Führungspersonen – aber die Studie zeigt: Die derzeitigen Veränderungen hinterlassen eine tiefere Verunsicherung denn jemals zuvor. Das ist auch unter den Mitarbeitenden angekommen. Laut dem Edelman Trust Barometer 2022 nehmen gesellschaftliche Ängste weltweit zu, inklusive der Angst, den Job zu verlieren. Wie können Führungspersonen ihren Mitarbeitenden also die Ängste nehmen und zugleich sicherstellen, dass am Ende auch wirklich „alles gut wird“?  

Mein erster Impuls war dem ähnlich, den ich in den folgenden Wochen auch von vielen Kolleg*innen hören würde. Ich musste Entschlossenheit zeigen und der „starke Entscheider“ sein, der mit sicherem Kurs auf den Wogen der Veränderung reitet. Das wurde von mir erwartet. Die Frage war nur: Wie um alles in der Welt sollte ich Sicherheit bieten, wie Stärke und Entschlossenheit zeigen, wenn ich selbst nicht wusste, wohin es gehen würde?  

Schnell wurde mir klar, dass dies nicht der richtige Weg war – nicht für mich, nicht für mein Team und auch nicht für meine Firma. Was war also die Alternative? Zunächst schien die Antwort für mich auf der Hand zu liegen. Als eine auf agile Transformation spezialisierte Organisationsberatung beschäftigen wir uns tagtäglich mit Ansätzen wie Agile Leadership.

Die Grenzen von Agile Leadership  

In der Agilität arbeitet man mit Szenarien und zielgerichtetem Experimentieren, um den gangbarsten Weg auch in ungewissen Zeiten zu identifizieren. Mithilfe von sogenannten „Foresight-Methoden“ wird beantwortet, welche möglichen Zukünfte (Plural, wohlgemerkt) es geben und wie man jeweils auf sie reagieren kann. Natürlich lässt sich das allein durch Nachdenken nicht klären – dafür sind die Umstände oft zu komplex. Die agile Methodik schlägt deswegen vor, für ausgewählte Zukünfte Ideen zu prototypisieren, also im kleinen Maßstab auszuprobieren. Nachdem man erste Erfahrungen gesammelt hat, entscheidet man, inwiefern man den jeweiligen Weg weiterverfolgen möchte. Seit Beginn der Pandemie habe ich versucht, dieser Logik zu folgen: Unternehmensintern haben wir Taskforces von 3 bis 4 Personen ins Leben gerufen, in denen Expert*innen zu unterschiedlichen Themen zusammenkommen. In dieser Gruppe werden ausgehend von Zukunftsbildern Prototypen entwickelt, vertestet und iteriert. Themen waren: Wie verändert Remote Work unsere Arbeit? Wie sehen Workshopformate von morgen aus? Wie können wir hochwertige hybride Interaktionen mit dem Team und unseren Kund*innen schaffen? Wie können wir unser Geschäftsmodell in Krisenzeiten resilienter aufsetzen?  

Genauso wichtig ist es aber auch, über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinwegzublicken. Im Sinne eines Peer-to-peer-Austausches habe ich in informellen Formaten, aber auch in gemeinsamen Workshops, das eigene Netzwerk aus Gründer*innen, Beratungen, das C-Level von Kund*innen genutzt, um auf Entscheider*innen-Ebene näher zusammenzurücken, gemeinsam Prototypen zu entwickeln und diese wieder in die eigene Organisation zu tragen. 

Doch schnell wurde mir klar: So hilfreich Ansätze wie Agile Leadership methodisch und strategisch sind, so schnell stoßen sie anderweitig an ihre Grenzen.  

Prognosen und Szenarien tragen einen gewissen Grad Unsicherheit in sich – die Welt ist schlicht zu komplex, um eine vollständige und realistische Liste aller Eventualitäten zu identifizieren. Im Grunde ist das kein Problem, aus methodischer Sicht: Man hangelt sich einfach von Szenario zu Szenario und von Prototyp zu Prototyp, bis man der Realität am nächsten kommt. Doch in Extremsituationen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg, aber auch aktuell in der wirtschaftlichen Situation, steigender finanzieller Unsicherheit oder so manchen gesellschaftlichen Schocks, die uns noch bevorstehen, verlangt die allgemeine Verunsicherung mehr von Führungspersonen. Ängstliche Stimmen der Mitarbeitenden oder jene Stimme, die nachts in den Köpfen von Führungskräften wie mir auftaucht, fragen: Wie kannst du mir Sicherheit geben, dass wir gut aus der Sache rauskommen? Wie kannst du mich motivieren, mit ganzer Kraft weiterzuarbeiten, wenn du dir noch nicht einmal sicher bist, dass unsere Vorhaben in die richtige Richtung gehen?  

Für mich ist klar: Ein bloßer methodischer oder strategischer Plan geht hier an den menschlichen Bedürfnissen vorbei. Was sowohl Führungskraft als auch Mitarbeitende in solchen Situationen brauchen, ist ein emotionales Aufgefangen-Werden, ein bewusstes persönliches Reflektieren. Der „starke Entscheider“, der den Kurs vorgibt (und sei er noch so agil), reicht nicht mehr aus.



Menschliche Führungspersonen 

Eine neue Menschlichkeit ist gefragt. Führungspersonen sind so sehr wie nie zuvor auf ihre Intuition angewiesen und müssen dafür ihre eigenen Rollen und Emotionen reflektieren lernen, um ihrem Bauchgefühl vertrauen zu können. Sie müssen lernen, ihre eigenen Unsicherheiten transparent zu kommunizieren, ohne Panik zu schüren. Und sie müssen Räume schaffen, in denen sich über Unsicherheiten ausgetauscht werden kann.  

Menschliche Führungspersonen. Was wie ein Pleonasmus klingt, kann trotzdem eine Neuheit sein. Oftmals wollen wir nämlich nicht wahrhaben, wie menschlich die Führungsebene unserer Organisationen und Gesellschaft wirklich ist. Führungskräfte haben Ängste. Sie wissen nicht genau, wie sie sich verhalten sollen. Sie können die Lage nicht überblicken. Sie zweifeln.  

All das zu verstecken, wäre nicht nur verlogen, es wäre ein Fehler. Einige öffentliche Personen machen es uns zurzeit vor, wie gewinnbringend ein offener Umgang mit vermeintlicher Schwäche in Führungspositionen sein kann: Es herrscht eine neue Offenheit und Nachdenklichkeit, die auch durch die Medien reflektiert wird. Annalena Baerbock, Daniel Günther, aber auch jüngst Greta Thunberg und andere haben mit der authentischen Kommunikation ihrer eigenen Zweifel und Zerrissenheit Erfolg. Es geht ihnen um Ehrlichkeit statt um Beruhigungsversuche, die sowieso niemand ernst nehmen kann. Das kommt an. Denn ein Grundsatz unserer Psyche lautet: Wir glauben Menschen, nicht Maßnahmenplänen. Wer menschlich auftritt, baut Verbindung und Vertrauen auf.  

Trotzdem kommt die Konfrontation mit den menschlichen Bedürfnissen von Führungskräften und deren Kommunikation in den meisten Leadership-Ansätzen zu kurz. Das ist fatal. Wie sieht also ein Führungsansatz aus, der die Menschlichkeit der Führungskräfte in den Vordergrund rückt, ohne Unsicherheiten zu schüren?



Wie Führungskräfte mit eigenen Unsicherheiten umgehen können

Führung ist Bauchsache 

Ja, Führungspersonen müssen in der Lage sein, systemischen Unsicherheiten mit passenden Maßnahmen zu begegnen. Ansätze wie agile Strategieentwicklung und Foresight-Methodiken bieten hier eine absolut wertvolle Grundlage. Doch wie bereits festgestellt: All diese Ansätze laufen ins Leere, wenn Führungspersonen nicht in der Lage sind, ihre eigene (emotionale) Unsicherheit ausreichend zu reflektieren. Nur mit einer solchen Reflexion gelingt es, der eigenen Intuition zu vertrauen, wenn diese gefragt ist. Denn Führung ist nicht nur Kopf-, sondern auch Bauchsache. Insbesondere heutzutage. Bei mir stellte sich beispielsweise Anfang der Corona-Pandemie die Frage: Sollte ich meine Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken oder eine „Jetzt-erst-recht“-Mentalität an den Tag legen und eine „All-hands-on-deck“-Strategie wählen? Ich entschied mich für Letzteres – und bin bis heute froh darüber. Nach Gesprächen mit der Steuerberatung, Kolleg*innen und anderen Geschäftsführer*innen gab es viele rationale Argumente dagegen. Letztendlich habe ich aber aus unternehmerischer Perspektive gehandelt und bin dabei meinem Bauchgefühl gefolgt. Ohne entsprechende Selbstreflexion hätte ich diesen Schritt nicht gewagt.  

Wie funktioniert er also, der Umgang mit Unsicherheit, in Zeiten wie den heutigen?  

Grob gesagt kann man den Prozess in zwei elementare Schritte aufteilen:  

  1. Die eigenen Unsicherheiten adressieren  
  1. Die Unsicherheiten anderer adressieren 

Bei diesen zwei Schritten ist insbesondere eines wichtig: die Reihenfolge. Denn wer seine eigenen Zweifel nicht anerkennt, kann den Zweifeln der Mitarbeitenden nicht erfolgreich entgegentreten. Wer sich seine eigenen Emotionen nicht eingesteht, kann in turbulenten Zeiten nicht gut führen.

Die eigene Unsicherheit anerkennen

Der erste Schritt zum Umgang mit Unsicherheit ist also nicht, einen Maßnahmenplan aufzustellen. Der erste Schritt ist gewissermaßen ein „Schritt zurück“. Er besteht aus radikaler Ehrlichkeit mit sich selbst. Man muss anerkennen, dass die Situation auch in einem selbst Zweifel und Ängste auslöst, und sich mehr als Führungsperson und weniger als Führungskraft sehen. Man darf sich die eigene Menschlichkeit eingestehen, anstatt bloße Entscheidungsstärke zu erwarten.  

In der Beobachtung meines eigenen Verhaltens und der Aussagen anderer Führungspersonen wurde mir klar, dass dieses Eingeständnis keine Selbstverständlichkeit ist: Oftmals ist die beliebteste Reaktion auf empfundene Unsicherheit Verleugnung. Wir wollen nicht wahrhaben, dass uns gewisse Situationen mehr herausfordern, als wir erwartet hätten. Wir meinen zu wissen, was nun von uns als Führungskraft erwartet würde: Stärke und Entschlossenheit, um anderen die Ängste zu nehmen. Doch das führt oftmals zu einem Aktionismus, der Unsicherheiten nur noch schürt. 

Ich sage nicht, dass das Eingeständnis und die Reflexion der eigenen Emotionen leicht sind. Im Gegenteil. Auch mich kostet es Überwindung, in turbulenten Zeiten zurückzutreten und meine Gedanken zu ordnen. Es ist ein ständiger Kampf mit der eigenen Erwartung, jederzeit handlungs- und sprechfähig zu sein. Doch ich weiß, dass ich nur nach einer entsprechenden Reflexion dieser Erwartung gerecht werden kann.  

Bevor wir also die Rolle einnehmen können, die die Situation von uns verlangt, geht es um eine Inventur der eigenen Emotionen und Bedürfnisse, aber auch der eigenen Kenntnisse und ihrer Grenzen. Was genau macht mir Angst an der jeweiligen unsicheren Situation? Welche Muster lege ich deswegen an den Tag? Welche Rolle nehme ich ein und welche Rolle würde ich gerne einnehmen? Wo habe ich blinde Flecken?    

Um diese und weitere Fragen zu beantworten, eignen sich einige Tools als Orientierung. Gewöhnt man sich die Verwendung solcher Tools an, fällt es leichter, in Extremsituationen auf sie zurückzugreifen. Ich selbst bin vor einigen Jahren während meiner Ausbildung zum systemischen Coach am artop-Institut in Berlin mit dem Modell des Inneren Teams in Berührung gekommen. Der renommierte Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun sagt in einem Satz: Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser. Und genau darum geht es bei diesem Modell. Lernen, sich besser zu verstehen.   

Eine Führungskraft muss „mit Menschen können“, muss wissen, wie ihnen zumute ist und was ihnen zugemutet werden kann und muss, sagt Schulz von Thun.  

Das Modell des Inneren Teams schafft für mich eine Grundlage für den Weg zu mehr persönlicher Klarheit. Ich habe mich zwar noch nicht für konkrete Maßnahmen entschieden, aber ich weiß, welche Eckpfeiler es geben, mit welchem Widerstand ich rechnen und wie ich mit meinen eigenen Zweifeln umgehen sollte. Gewissermaßen habe ich also meine eigene Unsicherheit adressiert, um nun anderen ihre Unsicherheiten nehmen zu können. Denn ich weiß: Nur in dieser Reihenfolge funktioniert es.


Durch unsichere Zeiten führen

Über Unsicherheiten sprechen 

Denken wir zurück an den Ausbruch der Corona-Pandemie: Die Nachrichten überschlugen sich, die Szenarien wurden immer erschreckender. Schnell war klar, dass sich für jedes Unternehmen einiges ändern würde. Verständlicherweise löste das nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei Mitarbeitenden Ängste aus und schnell wurde der Ruf nach Maßnahmen laut, die das Schlimmste abwenden würden. Harvard-Professor John P. Kotter nennt den Modus, in den sich viele nun begaben, den „Überlebensmodus“. Mit diesem Überlebensmodus geht eine interessante Mischung aus Wegducken und Aktionismus einher, die in den seltensten Fällen zielführend ist.  

Die eigentliche Aufgabe der Führungspersonen in solchen Situationen ist, ihre Mitarbeitenden aus dem Überlebens- in den Wachstumsmodus zu führen. Das klappt, indem man nicht nur Strategien präsentiert, sondern eine Grundlage für einen offenen, emotionalen Austausch schafft. Es geht um die Möglichkeit für alle, sich als Mensch gesehen zu fühlen. Und dafür muss sich die Führungskraft zuallererst als Mensch zeigen.  

In meiner ersten Team-Ansprache nach Ausbruch der Corona-Pandemie erzählte ich also von meinen eigenen Gefühlen und Zweifeln und lud meine Mitarbeitenden ein, ihre Sorgen und Ängste zu teilen. Ein solcher Einstieg war mir nur möglich, weil ich zuvor meine eigenen Emotionen reflektiert hatte. Ich schilderte meine Sicht auf die Geschehnisse und versuchte, das Wesentliche hervorzuheben. Eine derartige Einordnung nennt Kotter die Reduzierung von „Lärm“. Sie kann die Situation handhabbarer erscheinen lassen und dadurch Ängste verringern. Zuletzt legte ich meine Einschätzung unserer Handlungsmöglichkeiten dar und lud das Team ein mitzugestalten. 

Die Kommunikation einer „menschlichen“ Führungsperson besteht in unsicheren Situationen also aus einem Dreiklang: „Ich verstehe euch und fühle mich oft genauso“ – „So schätze ich die Situation ein“ – „Darum lasst uns über konkrete Schritte nachdenken, die wir jetzt tun können“. 

Diese Ansprachen waren für mich ein Kraftakt, aber eines weiß ich: Sie legte den Grundstein für eine authentische Kommunikation zwischen dem Team und mir während der gesamten Pandemie und auch in der gegenwärtig angespannten Marktlage seit dem Krieg in der Ukraine. Ich hatte mir selbst die Bürde genommen, als „starker Entscheider“ fungieren zu müssen, und meinem Team die Chance gegeben, den weiteren Weg sowohl menschlich als auch strategisch mitzubestimmen.



Rituale als Sicherheit in unsicheren Zeiten

So wichtig und hilfreich Team-Ansprachen in unsicheren Zeiten auch sind, so sehr sind sie Einbahnstraßen: Nur die Führungsperson kann ihre Inhalte und Emotionen teilen. Ein „menschlicher“ Führungsstil schafft also auch Räume, in denen sich die Mitarbeitenden über ihre Verunsicherung austauschen und konstruktiv in die Situation einbringen können. Die Kommunikation muss in beide Richtungen verlaufen.  

Für das Auffangen der Unsicherheiten des Teams eignen sich insbesondere Rituale. Genauso wie die Angst vor Veränderung und Ungewissheit menschlich ist, liegen Rituale in der menschlichen Natur. Sie geben uns Sicherheit und bieten im organisationalen Kontext den Raum, Erfolge zu feiern und so ein Gefühl des Fortschritts trotz der Ungewissheit zu vermitteln.  

Uns bei zero360 helfen insbesondere zwei bestimmte wöchentliche Rituale, die Gemeinschaft zu stärken und uns über unser Befinden auszutauschen: unser Monday Morning Checkin und unser Team-Jam. Auch in Zeiten des Lockdowns behielten wir diese wöchentlichen Zusammenkünfte des gesamten Teams in digitaler Form bei und haben diese aufgrund veränderter Bedürfnisse während der anhaltenden Pandemie immer wieder iteriert. Diese beiden Formate sind und bleiben auch in der aktuell herausfordernden Zeit wichtige Eckpfeiler unserer Teamkultur.

Der Monday Morning Checkin ist auf 30 Minuten angesetzt und dient dem gemeinsamen Start in die Woche. Wir beginnen zuerst mit einer angeleiteten Meditationsübung. Wir nennen es den achtsamen Start. Im Anschluss werden neueste Entwicklungen kommuniziert, Projekte und Bedarfe im Team transparent gemacht und besprochen. Über ein Update zum Status hinaus kommunizieren wir als Team auf Augenhöhe, in dem wir uns in Breakout-Runden mit 3-4 Personen für ca. 10 Minuten aufteilen. Hierbei steht immer eine Frage im Fokus. Es können systemische Fragen sein wie „Was kannst du Positives aus Veränderungen ziehen?“ oder Fragen, die zur Reflektion in der Kleingruppe anregen, wie „Was waren deine herausfordernden Momente in der vergangenen Woche?“. Jeder kommt zu Wort. Und jeder Beitrag ist wichtig.  

Der Team Jam findet mittlerweile zweiwöchentlich Donnerstags statt und dauert 90 Minuten. Er ist das emotionale Gegenstück zum Monday Morning Checkin. Erfolgserlebnisse, Misserfolge und Erlerntes werden geteilt. Mit dem Team Jam fördern wir unsere Haltung im Umgang mit Unsicherheiten und Fehlern, wir schaffen Vertrauen. Lernerfahrungen werden geteilt und untermauern das Teamgefühl und die Bereitschaft mutig zu sein und auszuprobieren. Zudem richten wir unseren Blick am Ende des Team Jams darauf, wofür in der aktuellen Woche dankbar sind, sowohl bei der Arbeit als auch im Privaten. Dies schafft einen Raum für zwischenmenschlichen Austausch, der im Nachgang in anderen (kleineren) Teamkonstellationen fortgeführt werden kann.




Die Kombination mit strategischen Formaten 

Natürlich darf eines nicht vergessen werden: Auch Formate, die strategische Ziele haben, können menschliche Bedürfnisse auffangen. Die Einbindung von Mitarbeitenden in strategische Krisenformate kann sogar unerlässlich sein, um die Konstruktivität und natürlich die Produktivität zu bewahren. Wir haben bereits über die Taskforces gesprochen. Es handelt sich um hierarchieübergreifende Arbeitsgruppen, die sich mit bestimmten Themen auseinandersetzten, welche durch die Krise bei uns aufgekommen waren (z. B. die Homeoffice-Regelung, die Digitalisierung unserer Kund*innen-Workshops oder die Außenkommunikation). Die Taskforces gaben und geben weiterhin dem Team die Gelegenheit, von einer passiven Verunsicherung in eine aktive, konstruktive Handlung überzugehen – und so die Unsicherheiten nach und nach abzubauen. Der Übergang zwischen strategischen und „menschlichen“ Formaten bleibt also fließend und sollte es auch sein. 


Wie geht es weiter?

Die Welt zeigt es uns wieder und wieder: Die Zeit der selbstsicheren Entscheider*innen, die mit festem Kurs auf den Wogen der Veränderung reiten, ist vorbei. Was wir heute brauchen, ist eine neue Menschlichkeit in Führungspositionen. Nur so kann mit Authentizität, Weitblick und Vertrauen geführt werden. Führungspersonen brauchen die Skills, mit Unsicherheit produktiv umzugehen – und dazu gehört neben strategischen (agilen) Ansätzen vor allem die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und andere zu motivieren, dasselbe zu tun. Denn dass die Unwägbarkeiten in den kommenden Monaten und Jahren abnehmen werden, ist wenig wahrscheinlich. Unsicherheit ist ein menschliches Gefühl – und wir werden erst gegen sie gewappnet sein, wenn wir uns zugestehen, ab und zu nicht gewappnet zu sein.  

Genau das macht Führung heutzutage aus. 


Hast du Lust, dich über die neue Menschlichkeit in Führung auszutauschen und Wege zu finden, wie du mit mehr Klarheit und Authentizität führen kannst? Dann kontaktiere uns: rafat@zero360.de 

Verfasst von:

Dr. Shamim Rafat

Mit Weitsicht und Passion hat Shamim die stetige Weiterentwicklung von Team und Firma im Blick. Er berät unsere Kund*innen in der Strategieentwicklung und Umsetzung von Innovations- und Transformationsprozessen. Mit seinem Wissen und Erfahrungsschatz inspiriert er Kund*innen und Team gleichermaßen. Shamim ist einer der stolzesten Väter der Stadt.

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