SARS-CoV-2 ist der bisher tiefgreifendste Umfeldeinfluss, der in Organisationen, in allen Strukturen des wirtschaftlichen und sozialen Miteinanders, Gewohntes ins Wanken bringt. Wir alle müssen umdenken, und das so abrupt wie noch nie zuvor. Anpassungsfähigkeit an ein sich stetig veränderndes Umfeld sollte dabei nicht zuletzt durch den bis vor wenigen Wochen noch viel diskutierten digitalen Wandel zum Kompetenzportfolio von Organisationen gehören, von NGOs bis Blue Chip Schwergewichten — permanente Transformation war auch vor der Corona-Krise schon eine neue Realität. Anpassungsfähigkeit ist in besonderem Maß an die Lernfähigkeit einer Organisation geknüpft. Mit einer nutzerzentrierten Ausrichtung, im Inneren kohärent aufgestellt, sammeln lernfähige Organisationen neue Impulse, lernen und testen und gehen neue Wege. Lernfähigkeit, als Basis für erfolgreiche Anpassungsfähigkeit, ist eine weitere Eigenschaft aus dem Kompetenzportfolio erfolgreicher Unternehmen — permanentes Lernen ist Realität. Nach Peter M. Senge sind lernende Systeme in permanenter Bewegung. Permanente Bewegung führt auch zu Unsicherheit — vom Individuum, über Teams, Geschäftsbereiche bis hin zur Gesamtorganisation. Der geeignete Umgang mit diesen Unsicherheiten ist ein weiteres Merkmal eines balancierten Kompetenzportfolios — denn auch permanente Unsicherheit gehört zu den neuen Realitäten. Eine der größten Herausforderungen moderner Führungskräfte ist der Spagat zwischen maximaler Anpassungs- und Lernfähigkeit einerseits — und Steuerung von Unsicherheit andererseits. Eine These, deren Gültigkeit wir fortwährend mit unseren Kund*innen explorieren ist:
Um eine anpassungsfähige Organisation zu sichern, müssen Führungskräfte Unsicherheit zulassen und Lernfähigkeit leben, indem sie auf Werte fokussieren und Remote Rituale entwickeln, die diese Werte für Mitarbeitende greifbar machen. In der aktuellen Situation sind wir überzeugter davon denn je.
Welche Führungswerte fördern Anpassungsfähigkeit?
Im Herbst 2019 haben wir in einem ko-kreativen Format die Perspektiven von rund 50 Führungskräften zu „Neuer Führung“ zusammengetragen und ausgewertet. Das Ergebnis sind folgende sechs Werte, die eine Navigation auch in Krisenzeiten ermöglichen:
Wie können Führungswerte über Remote-Rituale gelebt werden?
Wenn wir über Rituale sprechen, dann nicht aus einem spirituellen Blickwinkel. Rituale im Kontext von Unternehmen und Teams sind sicherer Heimathafen, gerade in einer Situationen in der die Intervalle dazwischen Turbulenz und Unsicherheit bedeuten. Rituale folgen definitionsgemäß einem zeremoniellen Ablauf, dessen Einhaltung ratsam aber situativ auch anpassbar ist. Rituale sollten darüber hinaus immer auch Termine sein, an denen festgehalten wird. Rituale sind Momente der Intervention, des Austauschs, der Abstimmung. Sie orientieren sich streng an den jeweiligen Führungswerten einer Organisation.
Jede Organisation, jedes Team, jedes Individuum kann entsprechende passende Rituale entwickeln und leben. Eine One-Fits-All Lösung gibt es allerdings nicht. Führung und Mannschaft müssen die Rituale gleichzeitig leben können (Technische Ausstattung, Zugänge, Zeit) und wollen (Akzeptanz, Test, Iteration).
Bei zero360 leben wir unter anderem die folgenden Rituale — auch remote:
Monday Morning Checkin — Einschwören zum Wochenbeginn
Das wöchentliche Monday Morning Checkin dient dem gemeinsamen Start als eines von vielen Remote Rituale. Neueste Entwicklungen werden kommuniziert, Projekte und Bedarfe im Team transparent gemacht und besprochen. Über ein Update zum Status hinaus kommunizieren wir als Team auf Augenhöhe. Jeder Beitrag ist wichtig. Das Monday Morning Checkin ist immer auch ein Appell. Die Richtung für die Woche wird gesetzt, parallel laufende Informationen (z.B. „State of the Company“-Mailings/Blogs o.ä.) werden aufgegriffen und bei Bedarf unterstrichen bzw. auch Fragen diesbezüglich geklärt. Die Dokumentation wird im Anschluss allen Mitarbeitenden digital bereitgestellt.
Wer ist dabei?
Gesamtteam (je nach Größe via Remote Konferenzschaltung/Hangout o.ä.)
Wer spricht?
Geschäftsführung (Status / Moderation) und Team (Projekt-Leads, Bedarfe, Fragen)
Was ist die Intention?
Gemeinsamer Start und Verständnis zum Wochenstart
Wie lang dauert es?
30–45 Minuten
Welche Werte werden adressiert?
Transparenz, Augenhöhe, Klarheit
Team Jam — Empowerment zum Wochenende
Der Wöchentliche Team Jam ist das emotionale Gegenstück zum Monday Morning Checkin. Der Team Jam bedeutet entsprechend das Ende eines Unsicherheitsintervalls. Erfolgserlebnisse, Misserfolge und Erlerntes werden geteilt. Mit dem Team Jam fördern wir unsere Haltung im Umgang mit Unsicherheiten und Fehlern, wir schaffen Vertrauen. Lernerfahrungen werden geteilt und untermauern das Teamgefühl und die Bereitschaft mutig zu sein und auszuprobieren.
Wer ist dabei?
Gesamtteam (je nach Größe via Remote Konferenzschaltung/Hangout o.ä.)
Wer spricht?
Wechselnder Host aus dem Team (Moderation) und beitragende Teammitglieder
Was ist die Intention?
Erfahrungsaustausch mit Fokus auf neu Erlerntem
Wie lang dauert es?
90 Minuten
Welcher Werte werden adressiert?
Haltung, Vertrauen, Kollaboration, Menschlichkeit
Coffeetalks — Raum für das Individuum
Unsicherheit ist ein stark individuelles Empfinden. Sie zu adressieren bedarf gegenseitigem Vertrauen. 1:1 Coffeetalks erfordern Empathie und unterstützen dabei gleichermaßen Unsicherheiten von Führungskräften und Mitarbeitenden abzubauen. Komplexe Herausforderungen lassen sich nur mittels Partizipation und konstruktiver Auseinandersetzung lösen. Der Coffeetalk als Remote Ritual gibt genau diesen Raum.
Wer ist dabei?
Führungskraft und 1 Mitarbeiter*in
Wer spricht?
1:1 (via Telefon, Hangout, Zoom o.ä.)
Was ist die Intention?
Individuelles Erleben und Sichtweise adressieren
Wie lang dauert es?
15–20 Minuten
Welche Wert werden adressiert?
Empathie, Vertrauen, Partizipation
„State of the Company“ Mailing — Transparenz für alle
Transparenz schafft Sicherheit. Gerade in einer Krisensituation ist es entscheidend, Mitarbeitende zu informieren, auf Unsicherheiten einzugehen und Entscheidungen und Verantwortlichkeiten klar zu kommunizieren. Wir nutzen — neben allen agilen Methoden und kollaborativen Tools — vor diesem Hintergrund immer noch den Informationskanal E-Mail. In normalen Zeiten verschickt die Geschäftsführung den „State of the Company“ Status einmal im Monat, in Zeiten des Corona Virus ein- bis zweimal die Woche. Wichtig sind klare Regeln. Die Mail ist ein One-Way Kanal. Fragen und/oder Anmerkungen werden via Slack oder in einem der Checkins adressiert. Die „State of the Company“ Mailings sind Pflichtlektüre für alle Mitarbeitenden. Sie fassen alle wichtigen Updates zusammen, nehmen Bezug auf parallel laufende Diskussionen und Entwicklungen und geben einen Ausblick.
Wer ist dabei?
Gesamtteam (Mail to all)
Wer schreibt?
Geschäftsführung
Was ist die Intention?
Überblick und Transparenz schaffen
Wie lang dauert es?
3–8 Minuten Lesedauer
Welcher Werte werden adressiert?
Transparenz, Vertrauen
Führung in Zeiten des Corona Virus ist vor allem eines: Die Besinnung auf Menschlichkeit und Wertschätzung. Führung in Zeiten von Corona setzt auf Vertrauen, Anpassungs- und Lernfähigkeit und adressiert den Umstand, dass Unsicherheit kein individueller Makel ist. Führung in der aktuellen Situation schafft Raum, um im Austausch einen Umgang mit Unsicherheiten zu finden und entlang von Werten zu navigieren. Und auch wenn unsere Räume zur Zeit in den meisten Fällen virtuell sind, Führung achtet darauf, dass aus physischer Distanz keine soziale und emotionale Distanz entsteht.
Einige weitere Methoden, mit denen wir das Teamgefühl auch bei Remote-Arbeit stärken, können auf unserem Blog nachgelesen werden.
Verfasst von:
Dr. Shamim Rafat