Unsere neue Lead Brand & Communication, Désirée Seibel, hat den 9. Geburtstag von zero360 zum Anlass genommen, mit unserem Geschäftsführer und Gründer, Dr. Shamim Rafat, über die Bedeutung und Herausforderungen von Impact für Unternehmen zu sprechen. In diesem ersten Teil des Interviews steigen wir in ein Thema ein, das heute aktueller ist, denn je, weshalb ein frischer Blick darauf dringend geboten ist.
Désirée: Passend zu unserem Geburtstags-Coffee Talk sei uns ein Blick zurück in unsere Historie gegönnt. Was hat dich bewegt, zero360 zu gründen? Was war damals dein Ziel?
Shamim: Zu der Zeit hatte ich immer wieder zwei Fragen im Kopf, die mich umgetrieben haben: Wie kann man gesellschaftlichen Fortschritt voranbringen? Und was sind eigentlich die Treiber dieser Veränderung?
Ich bin davon überzeugt, dass jede:r von uns auf individueller Ebene einen positiven Beitrag zu diesem Fortschritt leisten kann, – wenn man dafür bereit ist. Ich wollte aber verstehen, welche Hebel auf kollektiver Ebene vorhanden sind, um den Impact zu erhöhen und Veränderung voranzutreiben.
Désirée: Impact ist für die meisten Menschen die englische Übersetzung für eine Reihe möglicher Begriffe, wie Einfluss, Wirkung oder Hebel. Wie definierst du Impact, Shamim?
Shamim: Mit dem Begriff Impact bin ich stärker in Berührung gekommen als ich mich vor über 10 Jahren mit Social Entrepreneurship bzw. Sozialunternehmertum beschäftigt habe. Darunter verstehe ich eine unternehmerische Tätigkeit, die sich praxisorientiert, langfristig und innovativ für einen wesentlichen und positiven Wandel der Gesellschaft einsetzt. Der Fokus für Unternehmen liegt hierbei nicht auf Gewinn-, sondern auf Impact-Maximierung in ihrem jeweiligen Themenfeld.
Wenn man in der Privatwirtschaft über Impact gesprochen hat, dann lag in den letzten zwei Jahrzehnten der Fokus insbesondere auf Nutzerzentriertheit, also dem Impact auf die Nutzenden oder Kund:innen. Mittlerweile ist User Centricity Grundvoraussetzung und Nachhaltigkeit ein Hygienefaktor. Unternehmen können nicht mehr erfolgreich sein, wenn sie der Umwelt oder den Menschen schaden, oder an den Bedürfnissen vorbei innovieren.
Impact funktioniert also auf vier Ebenen: Stifte ich Nutzen für den Nutzenden? Stifte ich Nutzen für die Organisation? Stifte ich Nutzen für die Gesellschaft? Stifte ich Nutzen für die Umwelt?
Und damit ist der Impact mittlerweile sehr eng mit dem Purpose der Unternehmen verbunden. Mit dem Sinn, warum eine Organisation existiert. Impact ist, wenn der Purpose wirksam wird.
Désirée: Und was war deine Erkenntnis? Wer hat auf kollektiver Ebene den höchsten Impact?
Shamim: Je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, desto klarer ist mir geworden, dass Unternehmen die stärksten Treiber mit dem größten Hebel für gesamtgesellschaftliche Veränderung sein können.
Désirée: Warum ausgerechnet Unternehmen und keine der anderen Institutionen?
Shamim: Politik und der soziale Sektor sind natürlich unverzichtbare Akteure, hinken aber leider häufig wegen starrer Strukturen und in vielen Fällen auch aufgrund von Überregulierung hinterher. Durch ihren Zugriff auf den Großteil der vorhandenen Finanzressourcen und Brainpower, haben Unternehmen einfach das größte Potenzial wirklich etwas zu verändern. Wenn sie sich dieser Verantwortung bewusst werden und danach handeln.
Désirée: Das sind hohe Ansprüche und große Verantwortung, sowohl für Unternehmen als auch auf individueller Ebene. In beiden Fällen betonst du, dass es entscheidend ist, die Bedeutung und Rolle des eigenen Impacts zu erkennen.
Shamim: Und das ist ein wichtiger Punkt, weil Veränderung nur stattfindet, wenn ich das Potential und meinen Beitrag dazu erkenne. Wenn man also vor der Aufgabe steht, Unternehmen zu bewegen, dann ist es essenziell auch die Menschen innerhalb der Unternehmen zu bewegen
Aufrichtige Verbundenheit und Zusammenarbeit sind aus meiner Sicht Schlüssel für Fortschritt und Innovation.
Aus dieser Symbiose entsteht Begeisterung und Überzeugung, die eine große Strahlkraft hat, ein Momentum für andere erzeugt und damit auch gesellschaftlichen Fortschritt fördert.
Désirée: Also kann man sagen, dass sich Impact aus vielen kleineren „Impact-Treibern“ – den Mitarbeitenden – zusammensetzt?
Shamim: Nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Konsument:innen haben hier einen großen Hebel. Wir leben im Zeitalter der Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit. Immer mehr Menschen werden sich ihres Einflusses bewusst und wollen ihn nutzen, um ihren Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. In Transformationsprojekten und -prozessen mit Unternehmen und Organisationen steht der Mensch bei uns immer im Mittelpunkt. Es ist der Mensch, der das Unternehmen bewegt und nicht umgekehrt. Jede:r Mitarbeitende – unabhängig vom Titel auf der Visitenkarte oder von der Verortung im Organigramm. Sie sind alle Teil eines Systems. Ihre Rollen und Wirkungen im Unternehmen müssen daher auch immer systemisch betrachtet werden.
Es ist der Mensch, der das Unternehmen bewegt und nicht umgekehrt.
Besonders die jüngeren Generationen wollen mit ihrer Arbeit Impact generieren und suchen nach Arbeitgebern, die mit ihrer Wertvorstellung übereinstimmen. Hinsichtlich des Konsums bedeutet das, dass wir heute nicht mehr nur für uns selbst konsumieren, sondern mit unserem Konsum auch noch etwas Gutes tun wollen.
Désirée: Also hat der Einfluss des Individuums nicht nur Auswirkungen auf Unternehmen als Produkt- und Lösungsanbieter und als Mitglied unserer Gesellschaft, sondern auch auf Unternehmen als Arbeitgeber.
Shamim: Absolut. Daher haben wir es zu unserer Mission gemacht, Organisationen und Menschen innerhalb dieser Organisationen zu befähigen, Teil der Zukunft zu sein und ihrer gesellschaftlichen Rolle gerecht zu werden. Gemeinsam Ziele zu finden, für die es sich zu arbeiten lohnt. Und Lösungen zu gestalten, die nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis nachhaltig Mehrwert stiften und Impact erzeugen.
Désirée: Wie erlebst du den Stellenwert von Impact in der aktuellen Diskussion?
Shamim: Impact hängt sehr eng mit dem Purpose eines Unternehmens zusammen. Das alles sind natürlich keine neuen Konzepte und werden seit Jahren intensiv diskutiert.
Jeder will es. Aber seien wir ehrlich: Die wenigsten haben oder nutzen ihren Purpose konsequent. So ist es verständlich, dass diese wichtigen Themen durch die inflationäre Verwendung zum Buzzword geworden sind. Häufig wird von Greenwashing oder mittlerweile sogar Impact Washing gesprochen, also der fälschlichen Behauptung, mit den eigenen Produkten und Lösungen soziale und ökologische Herausforderungen zu bewältigen.
Ursächlich hierfür ist meiner Meinung, dass viele Entscheider:innen in Unternehmen immer noch an dem veralteten Prinzip festhalten, dass nur Größe und Wachstum über den Erfolg des Unternehmens entscheiden. Das Konzept, dass Profitabilität nur mit Marktanteil erreichbar ist, ist schon seit den 1990er Jahren nicht mehr uneingeschränkt wahr.
Désirée: Woran liegt das?
Shamim: Top Treiber ist hier wie immer die Digitalisierung, die eine Transparenz geschaffen hat, durch die sich die Bewertungsgrundlage von Kaufentscheidungen grundsätzlich verändert hat. So sind Wertepassung und individuelle Bedürfnisorientierung weit stärkere Treiber für Kaufentscheidungen geworden als Bekanntheit und Preis.
Es ist auch kein Geheimnis, dass Märkte an sich enger geworden sind und die Markenbindung parallel sinkt. Marktanteile zu halten oder auszubauen, ist mit hohen Kosten verbunden, die oft die Gewinne und Wettbewerbsvorteile schmälern.
Durch die Pandemie noch zusätzlich verstärkt wurde, dass sich die Aufmerksamkeit und Prioritäten der Gesellschaft nachhaltig verschoben haben. Hier spielt die Forderung neuer Generationen, wie den Millenials und Gen Z, nach Wertefokussierung eine große Rolle. Genauso wie die verstärkte Diskussion über unsere gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Ressourcenschonung. Hinzu kommt, dass während Corona viele Menschen das Vertrauen in die Medien und die Regierung verloren haben.
Wie Studien belegen, ist daraus eine höhere Erwartungshaltung an Unternehmen entstanden, als einzig vertrauensvolle Institution diesen Raum zu füllen und mit ihrer Veränderungsmacht zum Positiven zu wenden.
Désirée: Lieben Dank für deine Einschätzung Shamim. Unsere Kaffeetassen sind mittlerweile leer, aber es gibt noch so viel zu sagen. Daher beantworten wir in einem zweiten Coffee Talk die Frage, was Unternehmen jetzt tun müssen, um den geänderten Anforderungen gerecht zu werden, wie sich dadurch die Rolle von Unternehmen ändert und wie man Menschen zu mehr Impact und Selbstwirksamkeit befähigen kann.
Weiterführende Infos:
- Edelman Trust Barometer
- HBR: Put Purpose at the Core of Your Strategy
- HBR: From Purpose to Impact
- Edeling und Himme: When Does Market Share Matter?
Author
Dr. Shamim Rafat